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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Oliver sie damit bestrafen zu wollen, daß er
diesen gefährlichen Pfad eingeschlagen hatte.
    So will ich nicht sterben, dachte Daisy.
    »Du fährst sehr dicht am Abgrund«, sagte sie zu
Oliver.
    »Ich weiß«, sagte Oliver und legte den ersten
Gang ein. Er schien sich seiner selbst nicht sicher zu sein. Sie erkannte, daß
er sich fast so sehr fürchtete wie sie.
    »Wir können nicht weiterfahren«, sagte Daisy.
    »Was erwartest du von mir? Soll ich etwa hier
wenden?«
    Sie verstummte.
    »Wenn wir erst angekommen sind, wird es die Fahrt
wert gewesen sein«, versicherte er ihr freundlicher.
    Falls wir jemals dort ankommen, dachte Daisy,
die jetzt die Augen geschlossen hatte.
    Als sie die Augen wieder aufschlug, war die
Gegend flacher und sie waren fast auf Meereshöhe. Der Weg endete vor einem
unfertigen zweistöckigen Haus mit einer Terrasse. Unter Spalieren, an denen
sich Reben mit Trauben hochrankten, die dort hingen wie Schmuck an einem
Weihnachtsbaum, waren ein paar Tische mit weißen Tischtüchern für das
Mittagessen gedeckt.
    »Was für ein eigenartiger Ort für ein
Restaurant«, sagte Daisy, als sie aus dem Jeep ausstieg und ihr T-Shirt von der
Rückenlehne des Sitzes löste, an der ihr Schweiß es festgeklebt hatte.
    Sie hatten die Auswahl zwischen gegrilltem
Tintenfisch mit Zitronenscheiben und gekochtem Tintenfisch mit Tomaten und
Kartoffeln.
    Der Inhaber scherzte über Daisys bleichen Teint
und brachte ein kleines Glas Ouzo, das er ihr wie Medizin verabreichte. Oliver
nahm eine Flasche Retsina in Angriff. Daisy fühlte sich allmählich wieder etwas
besser. Sie lächelte Oliver an. »Jetzt verstehe ich, was es mit dem Krieg auf
sich hat«, sagte sie.
    »Was?«
    »Man fühlt sich jemandem näher, wenn man
gemeinsam die Nähe des Todes erlebt hat.«
    Er lachte. »Es tut mir leid. Auf der Landkarte
hat die Straße besser ausgesehen. Aber der Tintenfisch ist gut, findest du
nicht auch?«
    »Ich bin kein großer Tintenfischconnaisseur«,
sagte Daisy, und es klang so aufgeblasen, daß sie beide darüber lachen mußten.
    Sie verbrachten den Nachmittag auf dem winzigen
Streifen Sand und lagen im Schatten eines Sonnenschirms, den der
Restaurantbesitzer ihnen aufgedrängt hatte. Bis auf das sachte Plätschern der
Wellen war es still, vollkommen still sogar. Daisy hatte das Gefühl, sie seien
an einem verzauberten Ort am Rande der Welt, einem Ort, der nichts mit der
Realität zu tun hatte. Sie war es zufrieden, einfach nur dazuliegen, als stünde
die Zeit still, und an gar nichts zu denken. Jetzt fühlte sie sich in
Sicherheit. Der Umstand, daß sie die Fahrt an dem Felsabhang entlang überlebt
hatten, erschien ihr wie ein Omen. Sie hatte geglaubt, sie würde sterben, und
jetzt war sie derart erleichtert darüber, noch am Leben zu sein, daß alles
andere kaum noch zu zählen schien.
    »Ich verstehe gut«, sagte Oliver aus heiterem
Himmel, »weshalb du mich verlassen willst, aber ich möchte nicht, daß du es
tust...«
    Daisy blickte zu dem Wort »Cinzano« auf.
    »Ich glaube, ich brauche eine Weile Zeit für
mich«, sagte sie unbestimmt.
    »Okay.« Oliver sprang auf. »Ich ziehe aus, wenn
wir zurückkommen. Und jetzt mache ich einen Spaziergang.«
    Das war es doch, was sie gewollt hatte, oder
etwa nicht? Daisy beobachtete, wie er über die felsige Küste kletterte und sich
von Zeit zu Zeit bückte, um einen geeigneten Stein aufzuheben und ihn über das
Meer springen zu lassen. Sie hätte Erleichterung darüber verspüren sollen, daß
Oliver schließlich derjenige gewesen war, der diese Worte ausgesprochen hatte,
das wußte sie genau. Statt dessen fühlte sie sich einfach nur betäubt.
    Es war, als hätte sie in einem Raum mit einer flackernden
Kerze gesessen, die Formen und Schatten auf die Wände und die Decke warf,
Muster, die sich in dem leichten Lufthauch ständig veränderten. Dann hatte sie
sich plötzlich vorgebeugt und die Kerze ausgeblasen. Und sie konnte nichts
sehen, nicht das geringste, solange ihre Augen sich nicht an die Dunkelheit
gewöhnt hatten.
     
     
     

20
     
    »Hallo, wir können im Moment nicht ans Telefon
gehen...«
    Wieder einmal der Anrufbeantworter. Sie wünschte,
Daisy hätte die Nachricht auf Band gesprochen. Jedesmal, wenn sie anrief und
niemand den Hörer abnahm, warf es sie aus der Bahn, Olivers Stimme zu hören.
    Wahrscheinlich war es für Daisy noch zu früh.
Sie war schon immer spät aufgestanden. Gemma malte sich aus, sie läge im
postkoitalen Schlummer auf Olivers Brust. Das

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