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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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gut.«
    Daisy strahlte.
    »Jetzt mach schon.« Gemma richtete den Blick
wieder auf das Album. »Blätter endlich um.«
    Das Foto auf der nächsten Seite war ordentlich
mit Fotoecken eingeklebt. Es war eine Schwarzweißfotografie, ein Porträt ihrer
Eltern an deren Hochzeitstag. Estella trug einen dunklen Mantel und hatte eine
Orchidee auf den Kragen gesteckt. Ber-tie trug ein schwarzes Polohemd. Sie wirkten
sehr glücklich miteinander.
    »Ich hatte keine Bilder von der Zeitspanne
dazwischen in Erinnerung«, sagte Daisy, »aber zwischen diesen beiden Bildern
müssen dreizehn Jahre gelegen haben... wie seltsam, ein Fotoalbum anzufangen
und dann nichts reinzukleben.«
    »Aber sie hat das Album nicht damals
angefangen«, wandte Gemma ein. »Es kann nicht sein. Schon allein deshalb nicht,
weil sie für so etwas kein Geld gehabt hat.«
    Sie betastete den teuren Ledereinband und die
Zwischenblätter aus einem schwach durchsichtigen Papier, das ebenfalls
kostspielig wirkte.
    »Du hast recht. Du gäbest eine wesentlich
bessere Detektivin ab als ich«, sagte Daisy bewundernd. »Aber es ist wirklich
ein Jammer! Ich hätte zu gern gesehen, wie Laurie ausgesehen hat.«
    »Schau ganz hinten nach«, sagte Gemma, der
plötzlich wieder etwas einfiel. »Ich bin sicher, daß ein Bild von ihrer Schule
dabei war.«
    In einer Mappe hinten in dem Album steckten ein
paar Bilder, von denen eines in der Mitte gefaltet war. Es war ein extremes
Querformat, eine Fotografie von etlichen hundert Mädchen in Sportsachen. Eine
Reihe von verbissenen altjüngferlichen Lehrerinnen saß vor ihnen, und gleich
links neben der Rektorin saß ein Mann, der finster in die Kamera sah.
    »Er ist mir bisher nie aufgefallen«, sagte
Daisy. »Ich habe mir immer nur die beiden Abbildungen von Mum angesehen
    Estella war an beiden Seiten der Reihe von
Mädchen im Hintergrund zu sehen. Sie hatte ihren Töchtern erzählt, sie sei von
einem Ende ans andere gerannt, während die Kamera neu eingerichtet wurde. Auf
der einen Seite des Fotos war sie eine ernste Schönheit, auf der anderen Seite
war sie ein wenig unscharf und lächelte verschmitzt in die Kamera. Locken
hatten sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst und verschwammen um ihr Gesicht
herum.
    »Vielleicht wollte Estella uns von ihm ablenken,
damit wir keine Fragen stellen. Mir war schon immer unklar, warum sie das Bild
aufgehoben hat, obwohl sie behauptet hat, die Schule sei ihr abgrundtief
verhaßt gewesen«, sagte Gemma und sah dem Mann ins Gesicht.
    »Der ist ja toll!« rief Daisy aus. Laurie hatte
eine dichte schwarze Mähne, die aus dem Gesicht zurückgekämmt war. Er hielt
eine Pfeife in der Hand. »Er sieht aus wie ein französischer Existenzialist
oder so was, als sollte er in einer Retrospektive der fünfziger Jahre Werbung
für Gitanes machen.«
    »Nur, daß das wirklich seine Zeit ist. Der Kerl
ist echt. Das muß gewesen sein, ehe sie miteinander ausgerissen sind«, sagte
Gemma. »Sieh mal, es ist vom Sommer 1950.«
    »Typisch Mum, die ganze Stadt aufzuregen!« sagte
Daisy bewundernd.
    »Ja«, stimmte Gemma ihr zu.
    Das, was sie schockiert hatte, war jedoch nicht,
daß Estella damals ausgerissen war, sondern eher der jungmädchenhafte Tonfall,
in dem die Briefe an Shirley gehalten waren. Das erinnerte sie an eine
Formulierung, die Shirley benutzt hatte. Es waren unschuldigere Zeiten gewesen,
hatte sie gesagt. Und obgleich Estella in einiger Hinsicht alles andere als
unschuldig gewesen war, klang ihre Stimme jung und naiv und vollkommen frei von
dem überdrüssigen Zynismus, den sie sich später zugelegt hatte.
    »Glaubst du, sie hat dieses Bild als ihre
einzige Erinnerung an Laurie aufgehoben, Gem?« fragte Daisy. »Glaubst du, von
Zeit zu Zeit hat sie es rausgeholt, es angesehen und sich an ihre erste Liebe
erinnert?«
    »Vermutlich, ja.« Gemma fand, Daisy handelte die
ganze Geschichte allzu leichtfertig ab. Es war, als redete sie über einen
Liebesfilm, den sie gesehen hatte, und nicht, als sei sie Zeugin davon, wie ein
Leben vor ihren Augen aufgerollt wurde. Gemma fing an, sich darüber zu ärgern.
    »Warum hast du mir nicht erzählt, daß du dich
von Oliver getrennt hast?« fragte sie unvermittelt.
    »Ach, ich weiß es nicht genau. Wahrscheinlich
dachte ich, daß du dir sagst, wie dumm ich bin...«
    Gemma nahm den nächsten Brief und fing an zu
lesen.
     
    Januar 1952
    Liebe Shirl,
    ein glückliches neues Jahr!
    Es war eine zauberhafte Überraschung, Dich vor
Weihnachten zu sehen. Ich kann Dir gar

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