Es gibt kein nächstes Mal
warm, hatte die Konsistenz von Gummi und war noch schlabbriger als
vorher. Sie biß ein großes Stück davon ab und stieß dann einen Schrei aus, als
ein glühendheißes Stückchen Käse an ihrem Gaumen klebenblieb. Sie warf die
Pizza in den Abfalleimer und trank den Rest Coke direkt aus der Flasche. Ihr
Gaumen schmerzte wie eine offene Wunde.
Sie nahm Time Out zur Hand, blätterte das
Kinoprogramm durch und fragte sich, welchen Film sich Gemma und Kathy wohl
ansehen wollten, denn sie hätte ebenfalls gern einen Film angesehen. Gemma
hätte sie ruhig einladen können, ins Kino mitzukommen, dachte sie und war ein
wenig verstimmt. Gemma hatte schon immer eifersüchtig über ihre Freundschaften
gewacht und sie nicht teilen wollen. Und genau deshalb, dachte Daisy
verdrossen, war dieses ganze Durcheinander wegen Oliver überhaupt entstanden.
Wenn Gemma nicht so verflucht heimlichtuerisch gewesen wäre, dann hätte sie gewußt,
daß er verbotenes Territorium war. Und dann... wie anders alles doch gewesen
wäre, wenn sie und Oliver sich nicht ineinander verliebt hätten. Sie wäre an
die Universität gegangen und hätte ein reguläres Studium absolviert. Gemma wäre
nicht in die Staaten gegangen. Sie hätten Whitton House gemeinsam ausgeräumt.
Oder vielleicht hätten sie das Haus auch gar nicht verkauft. Sie malte sich
aus, wie sie mit einem großen Strohhut auf dem Kopf die Stangenbohnen in dem
ummauerten alten Garten goß.
Es war schon seltsam, daß ein einziger Tag den
Rest des Lebens derart ändern konnte. Wenn sie sich nicht in Oliver verliebt
hätte, wäre möglicherweise ein ganz anderer Mensch aus ihr geworden. Eine
Karrierefrau, die sich so elegant kleidete wie Gemma. Oder vielleicht hätte
sie, wie Kathy, jemanden geheiratet, den sie während des Studiums kennengelernt
hätte? Oder wäre es dazu ohnehin nicht gekommen? War es ihr bestimmt, als eine
unzufriedene Journalistin mit einem gutaussehenden, intelligenten und allzu
durchsetzungsfähigen Freund zu enden, der sie stets in den Schatten stellte?
Oder, rief sie sich ins Gedächtnis zurück, als eine unzufriedene Journalistin,
die jetzt allein lebte.
Und was wäre aus Gemma geworden? Dieselbe
gelassene und doch unglaublich verletzbare Frau, deren Gesicht eine gesunde
Schönheit ausstrahlte, deren Augen jedoch von Verlusten sprachen? Oder wäre sie
zwar im Verlagswesen tätig, aber nebenher die selbstbewußte Ehefrau eines
gutgestellten Anwalts, mit einem dreistöckigen georgianischen Reihenhaus in
Islington und einem tadellosen Ruf als politisch linksgerichtet, ein Paar, das
den Kreisen, die sich das Maul zerrissen, Gesprächsstoff gab?
»Der Tag, der mein weiteres Leben veränderte«,
kritzelte Daisy auf den Pizzakarton. Das gäbe ein großartiges Thema für einen
Artikel ab.
Sie nahm Time Out noch einmal zur Hand
und tat sich selbst leid. Sie wollte unbedingt ins Kino gehen, doch ihr fiel
niemand ein, mit dem sie sich zu einem Kinobesuch verabreden konnte. Das Screen
on the Hill zeigte einen Film, der während der englischen Kolonialherrschaft in
Indien spielte. Den hätte sie sich gern angesehen. Es war einer dieser Filme,
die Oliver nicht ausstehen konnte.
Plötzlich fiel ihr ein, daß sie niemanden
brauchte, um ins Kino zu gehen, und in zehn Minuten würde der Film beginnen.
Daisy wechselte ihr T-Shirt und ging automatisch ins Bad, um sich das Haar zu
bürsten. Sie hatte sich noch immer nicht an den Anblick ihres kurzgeschorenen
Haars gewöhnt, und nach fast einer Woche war es immer noch eine erfreuliche Überraschung,
weil diese Frisur genau richtig aussah und noch nicht einmal Kämmen nötig
hatte.
Im Kino gab es eine Klimaanlage, und die
Raumtemperatur war angenehm frisch. Mit der Eintrittskarte in der einen Hand
und einem überdimensionalen Pappbecher Coke in der anderen Hand ging Daisy
direkt zur ersten Reihe und ließ sich auf den Sitz in der Mitte plumpsen. Es
war einfach wunderbar. Keine Auseinandersetzung darüber, wie weit hinten man
sitzen sollte, und sie konnte mühelos die Leinwand sehen. Daisy war schon vor
langer Zeit eine Brille gegen ihre Kurzsichtigkeit verschrieben worden. Eine
bewahrte sie im Wagen auf, doch die Zweitbrille hatte sie innerhalb von
kürzester Zeit verloren, und sie hatte sich nie die Mühe gemacht, sie zu
ersetzen. Sie schlürfte ihre Coke und ertappte sich dabei, daß sie über einen
der Werbespots schallend lachte. Dann sah sie über ihre Schulter, um sich zu
entschuldigen, als der Mann hinter ihr mißbilligend
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