Es gibt kein nächstes Mal
mit
jemandem zusammengelebt habe, aber wir haben uns kürzlich getrennt, und ich
habe mich noch nicht wirklich an meinen neuen Status gewöhnt«, erklärte Daisy.
»Dann war das also der Mann auf dem
Anrufbeantworter?« fragte Cal, als sei das eine Frage, die ihm schon seit einer
Weile Rätsel aufgab.
Das war also der Grund dafür, daß er sich auf
dem Band so lakonisch angehört hatte. Daisy sagte sich, sie müsse daran denken,
selbst eine Nachricht auf Band zu sprechen. Sie blickte auf und sah, wie Cal
und sein Vater Blicke miteinander austauschten. Sie haben schon vorher über
mich gesprochen, dachte sie.
Daisy konnte sich nur an einen einzigen Anlaß
erinnern, als sie jemand nach Hause mitgenommen hatte, um sie seinen Eltern
vorzustellen. Sie war damals vierzehn gewesen, und der Junge hieß Charlie
Walton und war der jüngere Bruder eines der zahllosen Verehrer Gemmas. Daisy
hatte während des Tees das Gefühl gehabt, daß man sie mit ihrer älteren
Schwester verglich und daß dieser Vergleich zu ihren Ungunsten ausfiel. Daher
plapperte sie unablässig. Charlie war danach nie mehr mit ihr ausgegangen.
Olivers Eltern war sie nur ein einziges Mal
begegnet. Zum siebzigsten Geburtstag seines Vaters hatte Oliver sie beide nach
London eingeladen. Sie hatten im Waldorf gewohnt, und dort hatten sie sich alle
auf einen Drink getroffen, ehe sie sich in Covent Garden Don Giovanni ansahen. Sein Vater hatte den größten Teil der Pause damit zugebracht, die Aufführung
mit einer anderen zu vergleichen, die er vor ein paar Jahren von Opera North
gesehen hatte. Oliver, dem deutlich anzusehen war, daß es ihn Mühe kostete,
seine Wut zu unterdrücken, hatte verdrossen geschwiegen. Seine Mutter sagte nur
sehr wenig, bis Daisy im Vorraum der Damentoilette zufällig neben ihr stand,
als sie sich die Hände wuschen, doch dann hatte sie besorgt gefragt: »Ist
Oliver mit seinem Leben glücklich?«
»Ich glaube, ja«, hatte Daisy erwidert und sich
überlegt, was für eine seltsame Frage das doch war, denn damit hatte seine
Mutter es geschafft, gleichzeitig Daisy zu beleidigen und ihrem Sohn absolut
nicht gerecht zu werden. Glück war auf der Gefühlsskala fast zu trivial, um es
mit Oliver in Verbindung zu bringen. »Jedenfalls so glücklich, wie er
persönlich es sein kann«, fuhr sie fort. »Schließlich hat er diese schwermütige
Art, nicht wahr?« fügte sie in einem lockeren Tonfall hinzu. Es war ihr
Versuch, eine Gemeinsamkeit herzustellen, die der Mutter Raum für ein
vertrauliches Gespräch gab.
Sie sah einen Anflug von schmerzlichem
Wiedererkennen über das frischgepuderte Gesicht seiner Mutter huschen, der
jedoch schnell verflog. »Ach, wirklich?« fragte sie dann teilnahmslos, als sei
das ein Charakterzug, der sich erst herausgebildet hatte, nachdem er von zu
Hause fortgegangen war.
Und Daisy hatte sich gesagt: Also, du bist
entweder absolut unsensibel oder eine Heuchlerin oder gar beides, und Oliver
hat vollkommen recht, was dich angeht.
»Nehmen Sie noch ein Stück Streuselkuchen?« fragte
Mr. Costelloe.
»Ja, gern«, sagte Daisy und wurde von Desmond
mit einem Lächeln belohnt, da er andernfalls der einzige gewesen wäre, der noch
eine zweite Portion von dem Nachtisch aß.
Wieviel Spaß es doch machte, eine Mahlzeit im
Kreis einer Familie einzunehmen. Daisy hatte fast vergessen, wie schön das war.
Obwohl sie nur einen flüchtigen Einblick bekam, glaubte sie, eine ganze Menge
darüber zu erfahren, wie es in dieser Familie zuging, ebenso wie jeder, der zum
Abendessen nach Whitton House gekommen war, die Dynamik ihrer Familie deutlich
erkannt hatte.
Estella hatte anscheinend alles in der Hand
gehabt, und dasselbe traf auch auf Mr. Costelloe zu, doch in Wirklichkeit lag
die eigentliche Macht in den Händen des stilleren Partners. Bertie hatte seine
Autorität nicht oft demonstriert, doch wenn er es tat, dann war es nicht zu
übersehen. Und Daisy hatte den Verdacht, wenn Mrs. Costelloe etwas wichtig war,
dann hätte man das klar erkannt. Im allgemeinen kam Daisy besser mit Leuten
aus, die direkt und offen waren und ihre Meinung kundtaten, als mit dem
zurückhaltenden Typ, der seine Umgebung unauffällig manipulierte.
Sie fragte sich, welchem Elternteil Cal wohl
ähnelte. Er sah aus wie sein Vater, doch während der Mahlzeit erschien er ihr
eher wie ein Beobachter und weniger wie ein Beteiligter. Sie konnte spüren, daß
er unruhig wurde und darauf versessen war, sich endlich zu erheben.
Daisy kratzte den
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