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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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er sei schwul!« sagte sie
schockiert.
    »Oh, nein!« sagte Daisy.
    »Aber er war doch schon so alt. Du armes Ding!
Wann ist es passiert?«
    Daisy unterbrach sich mit ungewohnter
Diskretion, als der Kellner ein Schälchen dampfendes Risotto vor sie hinstellte
und Gemma gebratenen Kabeljau mit gelben und roten Paprikastreifen servierte.
»Es war nicht nur einmal. Wir waren ziemlich lange Zeit ein Liebespaar.«
    »Ich kann es einfach nicht glauben! Wie lange?«
    »Etwa ein Jahr lang, ehe ich nach Frankreich
gegangen bin. Das war einer der Gründe dafür, daß ich unbedingt fortgehen
wollte. Ich meine, er war zwar süß, aber mit der Zeit ist er mir doch ziemlich
auf die Nerven gegangen...«
    »Aber warum hast du mir nichts davon erzählt?«
    »Du warst in Oxford. Und außerdem dachte ich, du
findest das bestimmt nicht gut. Ich meine, du brauchst dir doch nur anzuhören,
was du gerade eben gesagt hast. Niemand hat etwas davon gewußt. Nur Mum. Ich
glaube, sie hat es gewissermaßen inszeniert.«
    »Was hat sie getan?« Gemma war außer sich vor
Entsetzen.
    »Sie hat immer gesagt, sie wollte, daß ich von
jemandem, der sich auskennt, in die Sexualität eingeführt werde«, erwiderte
Daisy.
    »O Gott. Und zweifellos hat sie euch ihr eigenes
Bett für deine Entjungferung zur Verfügung gestellt.« Gemma knallte
wutschnaubend ihre Gabel auf den Tisch. »Findest du etwa nicht, daß dieser
Liberalismus der Sechziger etwas Grauenhaftes an sich gehabt hat? Eine Mutter,
die beim Gedanken an Marihuana in Ohnmacht fällt, wäre mir lieber gewesen als
eine, die dir ständig einen Joint reicht.« Gemma unterbrach sich.
    Daisy hatte offenbar nicht die Absicht, sich
dieser Tirade gegen Estella anzuschließen. Sie hatte ihrer Mutter schon immer nähergestanden
und deren Exzesse wohlwollender aufgenommen.
    »Jedenfalls«, fuhr Gemma fort, »woher hat sie
überhaupt gewußt, daß er sich auskennt... oh, nein, die beiden waren doch nicht
etwa auch ein Liebespaar?«
    »Ich glaube, es muß wohl so gewesen sein«, sagte
Daisy. »Ich wußte sozusagen, daß er mich nur deshalb wollte, weil ich ihr so
ähnlich gesehen habe. Jedenfalls am Anfang. Er hat sie angehimmelt.«
    »Sie haben sie alle angehimmelt, dieses ganze
Pack vom Chelsea Arts Club. Sie alle haben Bilder von ihr gemalt, und hinterher
haben sie sie wahrscheinlich gevögelt. Ich begreife nicht, wie Bertie das
ausgehalten hat«, sagte Gemma.
    »O Gem! Du darfst sie nicht verurteilen. Bertie
war sich über ihre Art im klaren.«
    Gemma zuckte zusammen. »Glaubst du das wirklich?«
    »Ja, selbstverständlich. Schließlich hat er sie
selbst mit dieser ganzen Clique bekannt gemacht.«
    »Ja, das stimmt vermutlich.«
    Gemma hatte ihren Vater nie als einen dieser
Bohemiens gesehen, deren Gesellschaft Estella so sehr genoß. Er war soviel
stiller als sie gewesen, so bescheiden, was seine Arbeit anging, ein so
sanftmütiger und rücksichtsvoller Mensch.
    Estella war eine seiner Studentinnen gewesen,
und das erzählte sie unermüdlich, als wollte sie den Altersunterschied zwischen
ihnen deutlich hervorheben. Es wäre ihr unerträglich gewesen, wenn jemand auch
nur einen Moment lang dem Irrtum erlegen wäre, sie sei in seinem Alter, hielte
sich jedoch gut. Nicht etwa, dachte Gemma, daß sie ganz so jung gewesen wäre,
wie sie sich hinzustellen versuchte.
    Vor wenigen Jahren, als Gemma selbst
neunundzwanzig gewesen und einem Anfall der Dreißigermelancholie erlegen war,
war ihr aufgefallen, daß Estella in ihrem Alter gewesen sein mußte, als sie ihr
erstes Kind geboren hatte. Im ersten Moment hatte dieser Gedanke sie nur noch
mehr deprimiert — damals hatte es absolut niemanden in ihrem Leben gegeben, und
sie hatte auch nie eine Beziehung gehabt, die den Eindruck erweckt hatte, als
könnte sie sechs Monate überstehen, von einem gemeinsamen Leben und Kindern
ganz zu schweigen. Das Gefühl, daß ihr die Zeit zwischen den Fingern zerrann,
hatte sie mit einer unbändigen Traurigkeit erfüllt, und einige Tage lang hatte
sie sich in leichten Panikzuständen befunden, bis Meryl sie in eine Bar
geschleift hatte. Dort hatten sie große Mengen Martini getrunken, und Meryl
hatte ihr von all den Frauen in ihrem Bekanntenkreis erzählt, die mit Vierzig
entzückende Babies bekommen hatten.
    Erst als die Schwaden der Depression sich
aufgelöst hatten und Gemma sich bemühte, ihr Selbstvertrauen zurückzugewinnen,
war ihr klargeworden, wieviel sie in den letzten zehn Jahren erreicht hatte und
wie wenig sie

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