Es gibt kein nächstes Mal
glimmen begann. Gemma war schreiend zu ihrer Mutter gerannt, die
im Schatten des Kastanienbaums auf einer Gartenbank saß und sich mit gedämpfter
Stimme mit einem Mann in einem gestreiften Jackett und mit fettigem Haar
unterhalten hatte. Sie hatte die klebrige Flüssigkeit aus ihrem Glas unsanft
über Gemmas Kopf geschüttet und sie angewiesen, nach oben zu gehen, wenn sie
sich nicht wie eine Erwachsene benehmen könne. Seitdem zählte zu Gemmas
wiederkehrenden Alpträumen auch der, daß ihr das Haar in klebrigen Klumpen
ausfiel, die mit Cocktailfrüchten durchsetzt waren.
Gemma fand mühelos das Restaurant, stieß die
schwere Holztür auf und lief die Stufen hinunter. Ihre rechte Hand hob sich
instinktiv, um ihr seidiges Haar zu glätten. Es war Punkt ein Uhr. Von Daisy
war nirgends etwas zu sehen. Sie bestellte ein Mineralwasser und wartete an der
Bar, und währenddessen sah sie sich genauer um. Das Restaurant war
offensichtlich beliebt, und es ging sehr laut zu. Für ihre erste Begegnung
miteinander schien ihr die Wahl dieses Lokals äußerst sonderbar, aber
vielleicht, sagte sich Gemma, war man hier so ungestört wie in einem ruhigeren
Restaurant, da praktisch alle schrien, um sich verständlich zu machen, und es
bestand keinerlei Hoffnung, das Gespräch am Nachbartisch zu belauschen, wenn
man sich miteinander unterhalten wollte.
Die Frau, die für die Reservierungen zuständig
war, kam auf sie zu, um ihr mitzuteilen, ihr Tisch sei bereit, und Gemma
versuchte gerade zu entscheiden, ob sie sich an den Tisch setzen oder lieber
noch ein Getränk an der Bar bestellen sollte, als sie hinter ihrem Rücken ein
Geräusch hörte, das fast so unverkennbar war wie eine Stimme. Daisy war noch
nie in der Lage gewesen, leise eine Treppe hinunterzulaufen. Sie veranstaltete
jedesmal ein Geklapper und Getrampel, das ihren Vater einmal veranlaßt hatte,
das Geräusch mit dem Lärm einer Elefantenherde gleichzusetzen. Gemma drehte
sich zur Begrüßung zu ihrer Schwester um und konnte ein Lächeln nicht
unterdrücken. Daisy sprang mit einem Satz von der untersten Stufe in ihre Arme,
umarmte sie mit kindlicher Hingabe und entschuldigte sich atemlos für ihre
Verspätung.
Gemma gelang es, Satzfetzen einer umständlichen
Erklärung aufzuschnappen, in der es anscheinend um die Cosmopolitan, um
Carmen und um die Tatsache ging, daß Daisy für das Mittagessen bezahlen würde.
Sie löste sich aus der Umarmung und trat einen Schritt zurück, damit sie Daisy
eingehend mustern konnte. Sie war so schön wie eh und je, vielleicht ein wenig
schlanker, vor allem im Gesicht. Sie wirkte älter, und in ihrem
Gesichtsausdruck hatte sich etwas verändert. Gemma kam nicht gleich darauf,
woran es lag. Ihre Aufmachung, eine Art Zigeunerlook auf Designerebene, bekam
ihrer Figur gut, doch der blauweiß karierte Schal um ihren Hals schien
schmutzig zu sein. Die Flecken wirkten fast wie die Ringe von Kaffeetassen.
Daisy sah, daß Gemmas Blick auf ihrem Hals
verweilte. Nervös hob sie die Hand an ihre Kehle und zog voller Entsetzen das
Geschirrtuch heraus, das sie sofort in ihre Umhängetasche stopfte.
»O Gott!« jammerte sie, und gleichzeitig hätte
sie fast laut losgelacht. »Und dabei habe ich mich so sehr um eine elegante
Erscheinung bemüht.«
»Was war das?« erkundigte sich Gemma.
»Es kommt nur daher, daß ich mir das Hemd nicht
bekleckern wollte. Du weißt doch selbst, daß einem das immer passiert, wenn man
Weiß trägt? Und dann hat das Telefon geläutet, und dann mußte ich mich beeilen...«
Daisy fing an zu lachen.
Gemma konnte nicht verhindern, daß sie
mitlachte. »Ich fand eigentlich, es hätte gut ausgesehen. Wenn es etwas
sauberer gewesen wäre, dann könntest du direkt den richtigen Riecher gehabt
haben...«
»Der neueste Schrei — das Designergeschirrtuch.
Hm. Ist unser Tisch schon bereit?«
»Ich nehme einen Negroni. Ich weiß selbst nicht,
warum, aber hier bestelle ich immer einen Negroni. Warum trinkst du nicht auch
einen?« schlug Daisy vor.
»Sag mir schnell noch mal, was da alles drin
ist«, sagte Gemma.
»Ich habe keine Ahnung, aber es schmeckt absolut
köstlich.«
»Sehr hochprozentig?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Okay, warum nicht?«
Daisy winkte den Kellner an den Tisch und
bestellte die Drinks.
»Ich mag dieses Restaurant schrecklich gern.
Früher bin ich sehr oft hier gewesen, als ich noch auf Spesenrechnung von Panache Leute zum Mittagessen ausgeführt habe...«, plapperte Daisy drauflos.
Sie ist
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