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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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über die Jahre im Leben ihrer Mutter wußte, bevor diese Bertie
geheiratet hatte. Neunundzwanzig oder, besser gesagt, achtundzwanzig, denn so alt
mußte sie gewesen sein, als sie ihn kennengelernt hatte, war für eine Studentin ein beträchtliches Alter. Sie fragte sich, ob ihre Mutter wohl auch unter einem
Dreißigerpanikanfall gelitten hatte. Hatte sie sich wirklich ein Kind
gewünscht? Das waren Fragen, auf die sie früher nie gekommen war, und daher
hatte sie sie Estella zu ihren Lebzeiten nicht stellen können, und jetzt würde
sie die Antworten nie mehr erfahren.
    »Also, was ist jetzt? Hast du es getan?« fragte
sie Daisy.
    »Ob ich was getan habe?«
    »Seid ihr auf Estellas Angebot eingegangen? Hat
Vincenzo dich in ihrem Bett entjungfert?«
    »Igitt, natürlich nicht! Wenn du es genau wissen
willst, das erste Mal haben wir es in einem Feld getan. Ästhetisch gesehen
erfreulich, von goldenen Ähren und Mohnblumen umgeben zu sein, aber verdammt
unbequem, das kann ich dir versichern. Aber das Picknick, das er mitgebracht
hatte, war herrlich«, fiel Daisy jetzt wieder ein.
    Gemma konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
    »Hinterher hat er zahllose Fotos von mir
gemacht«, fuhr Daisy fort. »Ich hatte einen dicken, fetten Blutfleck auf dem
Kleid, der prächtig zu dem Klatschmohn gepaßt hat. Wie du dir vorstellen
kannst, fand ich das damals ungeheuer cool, viel besser, als die Unschuld, wie
die meisten anderen Mädchen, mit denen ich zur Schule gegangen bin, auf dem
Rücksitz des Escort zu verlieren, der dem Vater deines Freundes gehört. Jetzt
frage ich mich manchmal, ob er nicht vielleicht etwas von einem Humbert Humbert
gehabt hat. Weißt du, was?« Sie beugte sich vertraulich vor. »Ich bin ganz
sicher, daß er sich das Haar gefärbt hat. Sein Schamhaar war vollständig grau.«
    »Daisy!«
    »Tja, die Männer tuscheln doch laufend
miteinander über echte Blondinen, oder etwa nicht? Ich glaube nicht, daß
Vincenzo von Natur aus braunes Haar gehabt hat!«
    Der Kellner räumte ihre leeren Teller ab und
reichte ihnen die Dessertkarten.
    »Ich nehme diese köstlichen Nußkekse mit Vin
Santo. Ich bin schon so betrunken, daß es darauf auch nicht mehr ankommt«,
sagte Daisy.
    Gemma sah auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach
drei. Sie konnte sich nicht vorstellen, in einer Stunde nüchtern genug für ein
Treffen mit ihrem Boß zu sein, aber sie hatte keine Möglichkeit, diesen Termin
jetzt noch abzusagen. »Ich nehme lieber einen Kaffee. Einen doppelten Espresso.
Und jetzt werde ich der Damentoilette einen Besuch abstatten«, fügte sie hinzu
und überprüfte beim Aufstehen, wie es um ihr Gleichgewichtsempfinden stand.
    »Soll ich für dich auch Kekse bestellen,
Biskuit?«
    »Wenn es dir nichts ausmacht, Donut«, erwiderte
Gemma, ohne sich etwas dabei zu denken.
     
    »Wie steht es überhaupt mit deinem Liebesleben?«
fragte Daisy, sowie Gemma an den Tisch zurückkam. »Ich plappere die ganze Zeit,
und dabei weiß ich nicht das geringste darüber, was du in New York so alles
angestellt hast. Ich meine, abgesehen von Boy. Es hat mir so leid für dich
getan, Gemma, es hat mir wirklich furchtbar leid getan.«
    Einen Moment lang spürte Gemma, wie sie wieder von
Gehässigkeit durchströmt wurde. Was glaubst du wohl, hätte sie gern gefragt,
woran es liegt, Daisy, daß wir keinen Kontakt mehr miteinander hatten? Konnte
es wirklich sein, daß Daisy nicht von selbst dahintergekommen war? Gewiß nicht.
Und selbst dann, wenn sie es nicht gewußt hätte, hätte sie es sich, um Himmels
willen, denken können. Gab es nicht eine juristische Formulierung dafür? Grobe
Vernachlässigung oder so was?
    Aber wieviel schwieriger ist es doch, überlegte
sie sich, jemanden zu hassen, wenn er dir gegenüber an einem Tisch sitzt, kaum
mehr als einen halben Meter entfernt. Alles schien plötzlich an Bedeutung zu
verlieren. Und ihr blieb ohnehin keine Zeit mehr, um zu Erklärungen anzusetzen.
Es würde ja doch nur zu Tränen führen. Sie schluckte ihre Wut hinunter. Was war
es gewesen, wonach Daisy sie gerade gefragt hatte?
    »In den letzten zwei Jahren war er fast so etwas
wie eine Vollzeitbeschäftigung. Da ich außerdem auch noch meine Arbeit hatte,
bin ich nicht mehr dazu gekommen, mein eigenes Leben zu leben. Irgendwie
scheint das keine Rolle mehr zu spielen, Wenn direkt neben dir jemand stirbt.«
    »Ich verstehe nicht, wie du das durchgehalten
hast«, sagte Daisy. »Zwei Jahre einen Kranken zu pflegen. Bei mir ist schon
alles verloren,

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