Es gibt kein nächstes Mal
einem kleinen Auktionsraum aufgetrieben hatte. Der
Teakholzrahmen war solide und in gutem Zustand, doch das Flechtwerk war
ausgefranst und durchlöchert. Der Stuhl stand im Treibhaus, auf der »Veranda«,
bis sie jemanden fand, der ihn reparierte.
»Es war ein glühendheißer Tag. Erinnerst du dich
noch? Lol ist auf die Veranda gegangen, um zu lesen. Estellas theatralisches
Getue war ihm unerträglich, und ich war fast genauso schlimm...«
»Wo war ich?« fiel ihr Gemma ins Wort.
»Du hast einen Spaziergang gemacht. Ich glaube,
du hast es im Haus auch nicht ausgehalten. Du hast dich sehr seltsam benommen.
Dein Verhalten war wirklich feindselig, und du hast kaum ein Wort mit einem von
uns gesprochen. Ich dachte, es läge daran, daß Bertie gestorben war, aber jetzt
verstehe ich es erst... jedenfalls glaube ich, ich muß mich wohl eine Zeitlang
hingelegt haben oder so was. Lol hat gesagt, er sei eingeschlafen und hätte
plötzlich wahrgenommen, daß ein Schatten auf ihn fiel...«
Daisy erzählte den Vorfall wie eine
Geistergeschichte, aufgeregt und verängstigt zugleich.
»Und daher hat er ein Auge geöffnet. Estella
stand da. Sie war über ihn gebeugt und hat ihn seltsam angesehen. Er hat
gesagt, sie hatte gebannt seinen Körper angestarrt. Verstehst du, er hatte bei
dieser Hitze sein T-Shirt ausgezogen. Ihr ist noch nicht mal aufgefallen, daß
er wach geworden ist, und daher hat er sich wieder schlafend gestellt. Er
wollte sich nicht mit ihr unterhalten. Er fand, sie sei hysterisch.«
Daisy unterbrach sich und erinnerte sich wieder
daran, wie ihre Mutter in den Wochen, die auf Berties Tod gefolgt waren, immer
wieder in Tränen ausgebrochen war. Es war äußerst beunruhigend gewesen, zu
beobachten, wie ein so starker Mensch von Schwäche überwältigt wurde und
plötzlich ganz zerbrechlich wirkte.
»Und was ist passiert?« riß Gemma sie ungeduldig
aus ihren Gedanken.
»Tja, sie hat angefangen, ihn zu berühren, seine
Arme, seine Hände und seinen Hals zu streicheln. Dann hat sie ihre Bluse
ausgezogen und ihre Brüste an sein Gesicht geschmiegt. Lol wußte nicht, was er
tun sollte. Er hat mir erzählt, er hätte das Gefühl gehabt, in der Hitze der
Veranda an der Intensität ihres Parfüms und an ihrem Schweißgeruch zu
ersticken. Er hat so getan, als würde er gerade wach, und daraufhin hat sie
ganz plötzlich, als sei ihr jetzt erst klargeworden, was sie da tat, seinen
Kopf losgelassen. Er sagt, sein Kopf sei mit einem lauten Knall gegen das Holz
geprallt, aber du weißt ja, wie sehr er zu Übertreibungen neigt... >Zuerst
versucht sie, mich zu ersticken, und dann versucht sie auch noch, mir den
Schädel einzuschlagen! <«
Daisy ahmte Olivers entrüstete Stimme brillant
nach. Gemma mußte gegen ihren Willen lachen. »Er hat es mir am späteren Abend
erzählt«, fuhr Daisy fort. »Er hat geglaubt, sie sei wirklich verrückt... und
ich bin mir auch irgendwie merkwürdig vorgekommen...« Sie unterbrach sich, sah
Gemma an und richtete ihre Worte direkt an sie. »Ich werde mir niemals
verzeihen, daß ich sie so zurückgelassen habe, daß ich euch beide miteinander
allein gelassen habe, aber ich wußte einfach nicht, was ich tun soll. Lol war
nicht bereit, auch nur noch einen Tag länger mit ihr in einem Haus zu bleiben.
Ich dachte mir, die Hitze und der Kummer hätten sie ein wenig seltsam werden
lassen, und das sei alles. Ich dachte, in ein paar Wochen würde sie sich schon
wieder gefangen haben. Ich hatte keine Ahnung, daß sie...« Daisys Stimme
verklang.
Darüber kann ich jetzt nicht reden, dachte
Gemma. Ich kann nicht zulassen, daß sich das, was ich für Oliver empfinde, mit
Estellas Tod vermischt.
Sie fühlte sich überlastet, überfordert und orientierungslos.
Trotz der Hitze fröstelte sie ein wenig. Sie näherten sich den Toren des Parks.
»Sollen wir irgendwo in Camden zu Mittag essen?« fragte Daisy.
»Ich glaube, das wird mir zuviel«, sagte Gemma.
»Es tut mir leid«, fügte sie hinzu, als sie sah, wie enttäuscht Daisy war. »Ich
kann einfach nicht über all das gleichzeitig nachdenken... ich habe das Gefühl,
mein Gehirn steht kurz davor, zu explodieren.«
»Sollen wir dann lieber noch ein Weilchen
weiterlaufen?« fragte Daisy.
Die Vorstellung, sich so abrupt wieder von Gemma
trennen zu müssen, war ihr unerträglich. Es war, als sei sie emotional nackt
ausgezogen worden und stünde jetzt zitternd in der Kälte. Ihr war im Moment
nicht danach zumute, den Nachmittag mit Oliver zu
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