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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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werden«, sagte er manchmal zu ihr, wenn sein
Selbstmitleid besonders hohe Wogen schlug.
    »Oh, doch, das weiß ich sogar recht gut«, rief
sie ihm dann ins Gedächtnis zurück. »Wenigstens sind deine Eltern noch am
Leben.«
     
    Daisy sah ihren Geliebten an, der vor ihr
herlief und weit ausschritt. Irgendwann im Lauf der letzten Jahre, sie konnte sich
nicht genau erinnern, wann es dazu gekommen war, war er ein erwachsener Mann
geworden. Seine Gesichtszüge hatten jetzt eine gewisse Schwere angenommen.
Seine langen, schmalen Schenkel waren fest geworden, und sein Taillenumfang
hatte sich unmerklich, aber stetig vergrößert. Er war groß, aber jetzt wirkte
er auch noch kräftig.
    Daisy ertappte sich dabei, daß sie sich die
Frage stellte, ob Gemma ihn heute wohl noch lieben würde. Sie versuchte, sich
die beiden zusammen vorzustellen. Gemma war so schmal und so bleich. Sie war
schon immer blaß und schlaksig gewesen und hatte etwas von einer Stoffpuppe an
sich gehabt. Jetzt wirkte sie noch sehniger, ganz so, als treibe sie viel Sport
oder als straffte eine nervöse Anspannung ihre Gliedmaßen. Sie hatte jetzt eher
etwas von einer Porzellanpuppe mit Gummizügen in den Gelenken. Sie konnte sich
nicht vorstellen, daß die beiden miteinander ausgekommen wären. Gemma wirkte zu
anständig, zu unnahbar und zu unterkühlt für Olivers Geschmack. Und außerdem
würde er sich von der Fähigkeit ihrer Schwester, ihre Gefühle stillzulegen und
sie durch eine schützende Frostschicht zu ersetzen, bedroht fühlen.
    Es war schon ein wenig seltsam, sich derart
objektiv und unbeteiligt eine Vorstellung von den beiden zu machen. Wie wäre
ihr wohl zumute gewesen, wenn Lol und Gemma tatsächlich zusammen wären? fragte
sie sich. Die erste Empfindung, die sich einstellte, als sie es sich bildhaft
ausmalte, war Erleichterung. Sie versuchte, dem einen Riegel vorzuschieben und
die Erleichterung durch Eifersucht oder Schmerz zu ersetzen, doch diese Gefühle
wollten sich einfach nicht einfinden. Erleichterung. Es war genau das Gefühl,
mit dem sie vor ein paar Wochen erwacht war, nachdem sie, wie ihr jetzt wieder
einfiel, geträumt hatte, Oliver sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
    Ihr graute so sehr vor ihren eigenen Gedanken,
daß Daisy rannte, um Oliver einzuholen. Dann hängte sie sich bei ihm ein. »Ich
liebe dich ganz gewaltig«, sagte sie, als würde es dadurch wahr, daß sie die
Worte aussprach. Sie streckte sich, um einen Kuß auf sein stoppeliges Kinn zu
drücken.
    Er sah ungläubig auf sie herunter. »Ist das
wahr?« fragte er.
    Nein! hätte Daisy gern geschrien. Es ist einfach
gräßlich! Ich liebe dich nicht, und ich kann dir gegenüber nicht aufrichtig sein.
    »Ja, selbstverständlich«, sagte sie, und er
drückte ihre Hand an seine Brust.
    »Macht es dir etwas aus, wenn ich unseren Brunch
absage?« fragte Gemma und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken.
    »Oh, das ist aber schade.«
    Sie hatte nicht damit gerechnet, daß Jonathans
Stimme derart enttäuscht klingen würde.
    »Ich meine, könnten wir es nicht verschieben?«
fügte Gemma eilig hinzu. »Es ist ganz einfach so, daß ich an diesem Wochenende
emotional durch den Fleischwolf gedreht worden bin, und ich glaube nicht, daß
ich noch mehr Familie verkrafte«, sagte sie lachend und bemühte sich, ihre
Stimme weiterhin unbeschwert klingen zu lassen. »Ich habe mich mit Daisy
getroffen, und wir, nun ja, wir hatten eine ganze Menge miteinander zu bereden,
und jetzt muß ich über viele Dinge nachdenken, wenn du verstehst, was ich
meine. Es tut mir wirklich leid.«
    »Schon in Ordnung.« Jonathan wirkte sehr
englisch und äußerst verblüfft, als hätte das, was sie gesagt hatte, nicht das
geringste mit ihm zu tun. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, daß man eine
Verabredung absagte und ausführliche Erklärungen dafür abgab. »Laß uns gleich
einen anderen Termin vereinbaren, ja? Vielleicht am nächsten Wochenende. Die
Kinder kommen rüber, und sie haben gesagt, sie wollen grillen. Ich habe noch
nie ein Barbecue veranstaltet«, sagte er besorgt.
    »Das geht ganz einfach«, erwiderte Gemma, »und
meine marinierten Hühnerbeine schmecken prima. Ich werde ein paar mitbringen.«
    »Das wäre großartig!« sagte Jonathan begeistert,
und der Umstand, daß sie ihn gerade versetzt hatte, war bereits vergessen.
    Gemma legte erleichtert den Hörer auf. Sie
drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Steppdecke über den Kopf. Sie
sehnte sich verzweifelt danach,

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