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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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Produkte für alles, was die Flüchtlinge herbeischaffen konnten, verkauft wurden.
    Aber die Amerikaner, die in die Eiswüsten gegangen waren, strebten nicht nach einer neuen Existenz. Sie unternahmen alle Anstrengungen, um einen Zufluchtsort zu erreichen, wo sie von dem Gras nicht mehr bedroht wurden. Jenseits des arktischen Kreises? Hier könnten sie lernen, den Eskimos nacheifernd, von Fischen, Seehunden und gelegentlich gestrandeten Walen zu leben. Aber konnten sie sicher sein, daß in Gebieten, die dem vom Gras bewachsenen Territorium so nahe lagen, mit Immunität zu rechnen war? Sie glaubten es nicht. Sie ergossen sich nach Neufundland in der Hoffnung, der schmale Golf des St. Lawrence und die noch schmalere Straße von Belle Isle böten womöglich eine schützende Barriere. Sie fuhren auf Schlitten nach Baffin Island und in selbstgezimmerten Booten nach Grönland. Bevor das Gras ihre Familien und die weniger widerstandsfähigen Landsleute in Nova Scotia und Prince Edward Island ausgelöscht hatte, hatten diese Pioniere das Land ihrer Herkunft verlassen; die einzige Wirkung ihres Aufenthalts war, daß die letzten Eskimos durch die Verbreitung der vielen Krankheiten, die sie eingeschleppt hatten, dahingerafft wurden.
    Im Süden war das Tempo langsamer, die Fluchtanstrengungen waren weniger hysterisch und philosophischer. Wenn der mexikanische Peon hörte, daß das Gras im nächsten Dorf war, packte er seine wenigen Habseligkeiten zusammen und zog weiter nach Süden. Von Tampico bis Chiapas bewegte sich die Nation gemächlich nach Süden; kein lautes Wehklagen über die aufgegebenen Landstriche, keine Überfüllungen oder erbitterten Kämpfe auf den Highways, kein Verzicht auf die Pause für eine Siesta, wenn die Sonne heiß war, sondern eine stetige Reise in stiller Resignation, die keine Resignation zu sein schien – die Erfüllung eines gütigen Willens.
66.

    Aber der Rest der Welt konnte trotz der Lethargie, die ihn angesichts des Verlusts von Nordamerika erfaßt hatte, es sich nicht leisten, das Gras sich selbst zu überlassen und sich damit zufriedenzugeben, die Flüchtlinge aufzunehmen oder ihrem Sterben zuzusehen. Ein Weltkongreß zur Bekämpfung des Grases wurde eilends in London zusammengerufen. Es war ein hervorragendes Gremium mit Repräsentanten aller Nationen und ähnelte in seinen besten Zeiten der jetzt funktionslosen Bundeskatastrophenkommission.
    Bei der Eröffnungssitzung versuchte eine Delegation mit Beglaubigungsschreiben des Präsidenten der Vereinigten Staaten, an den Beratungen teilzunehmen. Eines der französischen Mitglieder stand auf, um den Vorsitzenden zu fragen, wo die Vereinigten Staaten seien. Er, der Delegierte, hatte von einem solchen Land gelesen und davon reden gehört – und nicht gerade Angenehmes –, aber existierte es de facto überhaupt?
    Der Delegierte Haitis bat um das Wort und versicherte seinem hervorragenden Kollegen aus dem Mutterland der Kultur – ganz besonders versicherte er dies jenen gebildeten Herrn, da er sich mit ihm durch dieselbe wunderbare und präzise Sprache verbunden fühlte –, daß sein Land, Haiti, genug Grund hatte zu wissen, daß die Vereinigten Staaten tatsächlich existierten – oder jedenfalls einmal existiert hatten. Sein glorreiches Heimatland trug die Narben, die die Barbaren ihm zugefügt hatten. Sein eigener Großvater, ein hervorragender Patriot, war von den Marines der Vereinigten Staaten als Bandit zur Strecke gebracht worden. Er bat einen Kongreß mit humanitären Absichten dringend darum, die Zulassung der Delegierten der sogenannten Vereinigten Staaten abzulehnen.
    Einer der deutschen Delegierten sagte, nachdem er sich den Schweiß aus den drei Nackenfalten gewischt hatte, er spräche mit großer Zurückhaltung, weil er fürchten müsse, mißverstanden zu werden. Das früher einmal existierende Land hätte sein eigenes zweimal im Krieg geschlagen oder doch jedenfalls dem Anschein nach geschlagen, und seine hervorragenden Kollegen könnten vielleicht den Geist, der ihn bewegte, fehlinterpretieren. Trotzdem scheine es ihm, daß eine gerechte Vorsehung die Vereinigten Staaten ausgelöscht habe, und daher sei es unlogisch, wenn nicht sogar gotteslästerlich, wenn dieses erlauchte Gremium eine Delegation aus einem nicht existenten Land zuließe.
    Die amerikanische Delegation machte einen schwachen Versuch, darauf hinzuweisen, daß Hawaii, Puerto Rico und Guam immer noch präsent seien. Die Mitglieder der verschiedenen Teile des

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