Es grünt so grün

dem Weg zum Haus hatten sich Ausläufer zu einer filzigen Matte verwoben, die Auge und Fuß gleichermaßen abstieß. Da, wo einst Blumenbeete gewesen waren, krochen die Ausleger perverserweise aufrecht, strotzend von Stacheln, die an der Spitze ein schwaches Grün aufwiesen – die einzige lebende Farbe in dieser elenden Anlage. Wo das Gras in den Samen geschossen war, gab es Flecken aus schlammigem Purpur, Flecken, die die kranke Farbe des Ganzen eher noch steigerten und die sterbende Atmosphäre des Vorgartens unterstrichen. Ein vernachlässigtes, für wertlos erachtetes Ding; ein abstoßendes Anhängsel, ein nie korrigierter Fehler.
    „Madam“, setzte ich an, „Ihr Rasen ist erbarmenswert.“ Es hatte keinen Zweck, ihr mit der Ich-sehe-Sie-sind-eine-Dame-die-sich-um-schöne-Dinge-kümmert-Masche zu kommen. Jedenfalls war die Pumpe von meinem Rücken weg, und ich fühlte mich unbeschwert. Das Buch über Verkaufsstrategien warf ich einfach fort. „Es ist der am meisten vernachlässigte Rasen in der ganzen Nachbarschaft. Er ist, tut mir leid, das sagen zu müssen, Madam, nicht weniger als ein Schandfleck.“
    Sie war eine Frau, die über das Alter zum Kinderkriegen hinaus war; ihr Kleid ließ die Formen eines Korsetts erkennen, und sie blickte mich kühl durch eine randlose Brille an, welche sich in den Rücken ihrer unförmigen Nase grub. „Na und?“ fragte sie.
    „Madam“, sagte ich, „für zehn Dollar mache ich ihn zum schönsten Rasen im ganzen Viertel, zum Stolz Ihrer Familie und zum Neidobjekt Ihrer Nachbarn.“
    „Mit zehn Dollar kann ich was Besseres anstellen, als sie für einen Haufen toten Gras’ auszugeben.“
    Erfreut stellte ich fest, daß ich sie soweit hatte, und ich war froh, daß ich nicht in meiner schwachen Minute dem Impuls gefolgt war, den ursprünglichen Instruktionen der Verrückten zu folgen. Wenn sie zu diskutieren anfangen, lautet mein Motto, ist der Verkauf gelaufen. Ich holte tief Atem und kam allmählich zur entscheidenden Gesprächsphase.
    Ich will nicht sagen, daß es ein leichter Verkauf war, aber schließlich bin ich Psychologe; ich fand alle ihre schwachen Punkte und rührte sie fachmännisch an. Trotzdem brachte sie mich dazu, meinen Preis zu halbieren; das ließ für mich nach meiner Vereinbarung mit Miss Francis nur zweifuffzig über, aber immerhin, es war ein Eisbrecher.
    Ich holte Pumpe und Schlauch und sammelte dabei eine Zuschauerschaft von Gören ein, die mir lauthals beistanden: „Was machense da, Mister?“ „Wofür issas, Mister?“ „Wollen Sie Mrs. Dinkmans Vorgarten wässern, Mister?“ „Sehen Ihre Ssähne immer so lustig aus, Mister? Mein Oppa holt seine Ssähne abends raus und steckt sie in ein Glas Wasser. Nehmen Sie Ihre Ssähne nachts auch raus, Mister?“ „Wollnse das Zeug auch in unsern Garten bringen, Mister?“ „Hee, Shirley – komm mal her und guck dir diesen komischen Mann an, der sich um Dinkmans Vorgarten kümmert.“
    Unermüdlich kreischten sie ihre Fragen, Ausrufe und Kommentare und ließen mich dadurch die Einzelheiten der Anwendung des Metamorphers vergessen. Jedenfalls hatte Miss Francis gewollt, daß er ins Rieselwasser gegeben wurde – was in diesem Fall nicht zutraf. Ich überlegte einen Augenblick. Eine Gallone reichte für dreißig Morgen; ein halbes Pint sollte hierfür genügen – mehr als genügen. Rieselwasser, Unsinn – ich würde den Metamorpher in den Rasen spritzen und der Frau sagen, sie solle ihn später wässern – das wäre das gleiche, als gäbe man ihn direkt ins Wasser, oder?
    Unter dem Schwall kindlicher Beleidigungen zu diesem praktischen Schluß zu kommen, war ein bemerkenswertes Kunststück. Als ich das Mittel über das bemitleidenswerte Teufelsgras tropfen ließ, traten die Bälger vor die Pumpe – und meine Schienbeine –, äfften meine Handbewegungen nach, brachten mich ins Straucheln, als sie mir durch die Beine liefen, wurden mit dem Metamorpher bespritzt – ich hoffte, mit beiderseitig schädlicher Wirkung – und machten mir bewußt, wie dankbar ich sein durfte, daß ich Junggeselle war.
    Zweifuffzig, dachte ich, während ich grimmig einen feinen Nebel über einen besonders öden Fleck sprühte – und dann noch nicht einmal nur Verkaufen. Manuelle Tätigkeit. Mit meinen Händen arbeiten. Genausogut könnte ich Gärtner sein. Collegebildung. Weitgesteckte Erfahrungen. Dynamisch und aggressiv. Und das, um einen verkommenen Vorgarten mit einem Mittel zu besprühen, welches übelkeitserregend