Es grünt so grün
Erlebnis zu sehen, wie das Flugfeld zu einer Miniatur seiner selbst schrumpfte und die Erde unter uns zu einer großen, farbenprächtigen Reliefkarte wurde.
Rechts von uns war der aufgestaute Fluß, abgedämmt hinter dem hemmenden Arm des Grases. Links in der Innenstadt ragte der Finger des Rathauses schmucklos in die Luft, und weit dahinter lag teilnahmslos der Pazifik. Vor uns war das Straßennetz auf erschreckende Weise unterbrochen und von der grünen Masse zerteilt.
Sie wuchs zu erstaunlicher Größe auf und ließ alles andere verschwinden; jetzt waren wir über ihr und blickten auf sie hinab, eine über alle Maßen vergrößerte Hügelweide, die ihre eigentliche Identität bewahrt hatte, aber durch die ungewöhnliche Lage und Größe ein bedrohliches Etwas geworden war. Als wir über dem Gipfel, der abgerundeten Spitze der grünen Masse, schwebten, sprach der Pilot über Brodfunk zu uns. „Wir kreisen jetzt, bis die Ladung von Bord ist. Zuerst werden die Tiere abgeworfen, dann die Ausrüstung und zum Schluß die Passagiere. Ist das klar?“
Mir war alles klar, außer wie wir von diesem grünen Berg entkommen sollten, wenn wir einmal auf ihm waren. Das lag offensichtlich in den Händen von Le ffaçasé, was mich in Erinnerung an seine gräßlichen Worte keineswegs ruhiger stimmte. Ebensowenig mochte ich es, wie der Pilot mich beiläufig zur „Ladung“ gerechnet hatte, die abgeworfen werden sollte.
Slafe wurde plötzlich lebendig, spähte, unverständlich vor sich hinmurmelnd, durch eine Art Lorgnette, die um seinen Hals hing; dann setzte er seine Kamera in Gang, die anscheinend ohne sein Zutun magisch zu klicken begann. Schnell und routiniert schnallte die Besatzung die Fallschirme an die hilflos blökenden Schafe und ließen sie eines nach dem anderen durch den Bombenschacht fallen. Die Ziege kam zuletzt; sie blökte nicht, sondern rammte geschickt zwei ihrer Quälgeister und bepinkelte den dritten, ehe sie hinausgeworfen wurde.
Die zweifelhafte Ehre, der erste zu sein, der auf dem Gras landete, hätte ich gerne abgetreten, aber die Besatzung hatte offenbar ihre Befehle. Höflich klopfte man mir auf die Schulter – ich vermute, auch die Wärter sind höflich, wenn sie im Morgengrauen die Zelle des zum Tode Verurteilten betreten –, mein Schirm wurde mir umgeschnallt und die Instruktionen, die ich mindestens sechzigmal gelesen hatte, wurden mündlich wiederholt. Das machte mich so konfus, daß ich bis heute nicht weiß, ob ich, als ich endlich in der Luft war, bis sechs, sechzig, sechshundert oder sechstausend zählte, bevor ich die Reißleine zog. Wie auch immer, offenbar lag ich nicht allzu falsch, denn obwohl ich einen markerschütternden Schock erhielt, öffnete sich der Fallschirm, und ich schwebte nach unten.
Aber kaum hatten sich meine Ängste über das Verhalten des Fallschirms gelegt, da überfiel mich zum ersten Mal beim Gedanken an mein Ziel schreckliche Furcht. Das Gras, das Unkraut, das vernichtende Gewächs, das soviel verschlungen hatte, war unmittelbar unter mir. Unwiderruflich würde ich auf ihm landen, nicht an den Rändern, wo andere Männer es heldenhaft bekämpften, sondern genau in seinem Herzen, wo nichts ihm entgegenstand.
Immer noch von quälenden Gedanken bedrückt, landete ich leicht und sicher wenige Meter neben der Ziege und direkt hinter dem Hinterteil eines der Schafe.
Und jetzt lege ich beim Schreiben eine Pause ein, um still dazusitzen und mich an die Empfindung jenes ersten körperlichen Kontakts mit dem Herzen des Grases zu erinnern – es ist mehr als eine Erinnerung, ich durchlebe es erneut. Ekstase ist ein blasses Wort, um die Freude zu beschreiben, die mich bei der Berührung mit dieser üppigen Vegetation erfaßte. Weich – ja, das Gras war weich, aber so wie Sand weich ist, nämlich unnachgiebig zugleich. Anders als Sand jedoch, vermittelte es nicht den Eindruck eines festgebackenen Untergrunds, sondern eher die Festigkeit einer guten Matratze, die auf Sprungfedern ruht. Es war elastisch wie sorgfältig gepflegter Parkrasen, aber gleichzeitig dachte man nicht an den festen Boden darunter, sondern mehr an tragende Wolken. Nachdem mein Fallschirm mich sanft auf meinen Füßen hatte landen lassen, sank ich natürlicherweise auf die Knie, und dann fiel mein Körper, angezogen von einer anderen Kraft als der Schwerkraft, in völliger Entspanntheit nach vorn, bis mein Gesicht in den dicht wachsenden Halmen begraben war und meine Hände sich ausstreckten, um soviel
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