Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
Vom Netzwerk:
sie konnten von dieser üppigen Oberfläche zu umarmen.
    Weitaus komplexer als die rein körperliche Reaktion waren die psychischen. Als Junge hatte ich wie jeder andere davon geträumt, neue Kontinente zu entdecken, als erster einen bis dahin unbezwungenen Berggipfel zu besteigen, vor anderen Menschen die Ufer fremder Archipele zu begehen, mit Erzählungen von fernen Ländern und einsamen Inseln zurückzukehren. Nun, jetzt tat ich all dies, lange Zeit, nachdem die Jugend die Illusion dieser kindlichen Träume zerstört hatte. Aber darüber hinaus war es in gewissem Sinne meine Insel, mein Berg, mein Land – denn ich hatte es ins Leben gerufen. Mit einer Gewandtheit, die meinem normalen Verhalten ziemlich fremd ist, streifte ich den hinderlichen Schirm ab und sprang und tanzte auf dem Gras. Die Ziege sah mich grüblerisch aus rechteckigen Pupillen an, machte aber keine Miene, mit mir umherzutollen. Ihre Skepsis bremste mich nicht, denn ich fühlte mich absolut frei, äußerst angeregt, maßlos stimuliert. Ich glaube, ich ging soga r soweit, laut zu schreien und ein Lied anzustimmen.
    Die Landung Slafes, der das Geschehen immer noch voller Ernst aufzeichnete, die Kamera wie ein Gewehr im Anschlag vor sich haltend, ernüchterte meinen Rausch nicht, auch wenn meine Vorsicht mich veranlaßte, mich auf normalere Weise zu verhalten. Ich befreite ihn aus seinem Gurtzeug, denn er war zu beschäftigt damit, das Gras, den Himmel, die Tiere und mich aufzunehmen, um das selbst zu tun.
    Ich weiß nicht, ob er auf die gleiche Art wie ich empfand, denn sein trügerisch-freundliches Gesicht zeigte keine Gefühlsregung, als er mit seiner Kamera akribisch in alle Richtungen zielte. Dann, offenbar für den Augenblick zufrieden, versorgte er sich wieder mit Nasenspray und dem Inhalt seiner Pillen-Schachteln.
    Auf Gootes hatte die Landung jedoch wohl die gleiche Wirkung wie auf mich. Auch er hüpfte und sang, und seine Dialektbeiträge erreichten einen neuen Tiefpunkt, den selbst ein Possenkomödiant verschmäht hätte. „Jau, jau, so muß datt sein“, wiederholte er ständig. „Oou, Erin du Brawe!“ Dazu lachte er blöde.
    Wir müssen eine volle Stunde auf diese Weise verschwendet haben, bis wir soweit abgekühlt waren, um zu ruhiger Betrachtung fähig zu sein. Dann aber packten wir die Ausrüstung aus, und das trotz der Hindernisse, die der immer noch aufgekratzte Gootes uns in den Weg legte, denn er fand großes Vergnügen daran, verschiedene Instrumente verschwinden und unerwartet wieder auftauchen zu lassen. Endlich waren wir einigermaßen vollständig und schrieben die Thermometer- und Barometerangaben, dazu Windrichtung und Höhenbestimmung auf, damit sie später mit anderen Messungen, die zur gleichen Stunde unter normalen Bedingungen durchgeführt wurden, verglichen werden konnten.
    Zu unserer Ausrüstung gehörten ein Teleskop sowie Feldstecher; als wir sie an die Augen setzten, bemerkten wir zu unserem Erstaunen, daß wir uns in der Mitte einer flachen Vertiefung befanden, die vielleicht einen Durchmesser von hundertfünfzig oder zweihundert Metern hatte, und daß ein Horizont hochgewölbten Pflanzenwuchses unsere Weitsicht einzig und allein auf den Himmel beschränkte. Ich hätte geschworen, daß wir auf einem ebenen Plateau gelandet waren, wenn nicht sogar auf einem flachen Gipfel. Wieso fanden wir uns dann jetzt in einer Vertiefung wieder? Veränderte sich das Gras wie das Meer, dem es ähnelte? Oder – unglaubliche Vorstellung – hatte unser Gewicht uns unmerklich in ein weiches, trügerisches Bett sinken lassen?
    Ich spürte, wie mein Glücksgefühl zerrann. Was ist der Mensch anderes, dachte ich, als ein in einer Schüssel gefangener Pygmäe, eingebunden von einem unbekannten Ausgangspunkt und einem verborgenen Ziel? Es war schön zu leben, aber wer wußte schon, ob das Ungesehene Gutes oder Böses enthielt? Unruhe, die meine vorherige Munterkeit nicht völlig ersetzte, machte sich in mir breit.
    Im Gegensatz dazu zeigten die Tiere keinerlei Anzeichen von Beunruhigung. Nervös kauten sie an dem Gras herum, wahrscheinlich eher aus Gewohnheit als vor Hunger. Sie schienen nicht viel Nahrung zu sich zu nehmen; es fiel ihnen eindeutig recht schwer, größere Büschel des Futters abzubeißen. Vielmehr kauten sie seitwärts, wie eine Katze, an den zähen, gummiartigen Ranken.
    „Ich glaab, ich will raus aus däm Loch“, meinte Gootes. Slafe hatte eine zweite Kamera ausgepackt und verschiedene Zusatzgeräte angebracht.

Weitere Kostenlose Bücher