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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Spilker
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Garten herumstehen. Autos werden in gut sichtbaren Carports ausgestellt, welche die Funktion eines Vorgartens übernehmen. Die meisten Häuser haben eine Farbe, die irgendwann einmal weiß gewesen sein mag, aber inzwischen kaum noch das Recht hat, weiterhin so genannt zu werden. Ein einziger Ausreißer ist dabei: Eines der Häuser ist in einem tonartigen Ocker gestrichen.
    Sie trägt ihre Haare kurz. Immer schon. Nicht weil lange Haare sie bei ihrer Arbeit behindern würden oder weil es eine entsprechende Vorschrift gäbe, sondern weil sie sich einredet, ein Kurzhaargesicht zu sein. Ich vermute eher, sie will nicht für eitel gehalten werden. Man gerät hier schnell in den Verdacht, etwas Besonderes sein zu wollen. Es gibt einen klar definierten Rahmen, innerhalb dessen man durch Kleidung und Styling auf sich aufmerksam machen darf. Je kleiner die Stadt, desto geringer der Spielraum. So wie sie da vor mir steht, kommt sie mir nicht besonders mutig vor.
    Wir sollten uns beim nächsten Mal etwas langfristiger verabreden, jetzt habe sie nur noch drei Stunden Zeit bis zu ihrer Nachtschicht. Ursula gibt mir einen Kuss auf die Wange. Sie trägt eine graue Jogginghose und einen weiten Pullover, so eine Art Hausanzug, und öffnet mir leicht zerstreut die Tür, als hätte ich sie bei irgendetwas gestört. Als ich drinnen bin, strahlt sie mich plötzlich an und fällt mir noch einmal um den Hals. Mehrere Paare ausgetretener Birkenstock-Latschen stehen im Flur unter der Garderobe. Ich versuche mich im größtmöglichen Abstand daran vorbeizuschieben.
    Sie bewohnt den verwinkelten oberen Stock eines Sechziger-Jahre-Wohnhauses, in dem wegen der Dachschrägen nur die Hälfte der Grundflächen nutzbar ist. Kleine Schränke und Sofas sind in die Ecken gestopft, in denen man nicht stehen könnte, überall liegen Spielsachen herum.
    »Wo ist …?«
    »Anton? Bei meiner Mutter. Ich habe ihn vorhin dorthin gebracht. Sie war nicht besonders begeistert, dass ich heute noch eine Doppelschicht hereinbekommen habe, aber sie hilft mir trotzdem immer.«
    »Wie alt ist er jetzt eigentlich? Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war er noch im Kindergarten, oder?«
    »Er ist acht und in der zweiten Klasse.«
    Ursula macht uns in der Küche einen Tee. Anschließend versinken wir in den Polstern eines ramponierten Möbelhaussofas, das Anton wahrscheinlich lange als Trampolin benutzt hat und mit dem ich schon mal Bekanntschaft gemacht habe. Ganz ohne Alkohol und ohne die befeuernde Atmosphäre unserer vorangegangenen Begegnungen kommt das Gespräch nur schleppend in Gang, und wir landen zunächst in der Smalltalk-Hölle. Es geht um die Grundsatzfrage, ob man Kaffee mit oder ohne Milch und Zucker trinkt, und wenn nicht bald jemand einschreitet, wird das nächste Thema das Wetter sein. Aus lauter Verzweiflung erzähle ich ihr von dem Verlust unserer Büroräume und dem merkwürdigen Gespräch mit Dimitri.
    »Es ist, als würde sich alles auflösen. Zerbröseln, zerfallen, wie auch immer.«
    »Sei doch froh – hier zerfällt nie irgendwas. Alles bleibt so fest und öde, wie es ist.« Sie rührt ungeduldig in ihrem Tee herum, als käme es darauf an, auch die allerletzten Kristalle des Zuckers aufzulösen, bevor man ihn sich zuführen kann. Die Bilder an den Wänden – wenn sie nicht Anton zeigen, wie er dies und jenes zum ersten oder x-ten Mal macht – sind der reinste Kleinstadteskapismus und sollen ablenken von dem, was ist. Das tun sie mal mehr, mal weniger geschmacklos, das Wichtigste an ihnen ist aber immer das, was sie nicht zeigen: Alltag. Die langweiligen Tage, an denen nichts passiert. Stattdessen wird jeder Museumsbesuch und vor allem jeder Urlaub zu einem Ereignis von Weltrang aufgebläht. Wahrscheinlich verhält es sich mit ihrer Musiksammlung genauso. Andererseits könnte sie auch auf totale Zerstörung stehen, dann würde sie Metal hören, den klassischen Soundtrack zu einem angepassten Leben.
    Sie versucht mich zu beruhigen, was meine Verantwortung für das Scheitern der Unternehmung Tropical Design angeht, und ich bin ein dankbarer Zuhörer, ohne dass ich ihr wirklich recht geben kann. Sie geht davon aus, dass meine persönlichen Schwierigkeiten mich zu sehr von den geschäftlichen Belangen ablenken und der gute alte Kahn bei rauer See eben einen tüchtigen Kapitän nötig hätte. So einfach sei das. Ich entgegne gestelzt etwas von gegenseitigen Beziehungen sowohl geschäftlicher als auch persönlicher Natur, die eine

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