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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Spilker
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hierarchische Struktur, in der jemand rechtzeitig unpopuläre Entscheidungen treffen könnte, verunmöglichen, aber sie schaut mich nur mitleidig an. Sie sieht in mir jetzt das trotzige Kind, das sich den objektiven Gegebenheiten nicht fügen will. Vor noch gar nicht langer Zeit hätte mich das rasend gemacht. Aber die komplett vereinfachte und deshalb so gut verständliche Version meiner eigenen Erfahrungen erscheint mir plötzlich erwägenswert. Irgendwie leichter als alle Gedanken, die ich mir bisher zu dem Thema gemacht habe. Ist es so, dass sie den Abstand hat, der mir fehlt? Oder fehlen ihr die Fülle an Informationen, der emotionale Hintergrund und all die Details, um ähnlich verwirrt zu sein wie ich? Manchmal denke ich, dass andere Menschen einfach gesünder sind als ich, weil sie Schlüsse aus Informationen ziehen können, die für mich nur eine riesige Geröllhalde sind. Und ich frage mich, woran das liegt.
    »Weißt du, was ich glaube?«, unterbricht sie mein Grübeln irgendwann.
    »Was?«
    »Ich kenne euch ja nicht so gut und so, aber es hört sich ein bisschen so ähnlich an wie bei meinem Freund und seinem Plattenladen, nicht ganz so schlimm, aber halt ähnlich.«
    »Wir sind doch kein Plattenladen.«
    »Natürlich nicht. Aber diese Typen, die bei euch herumhängen, scheinen mir irgendwie übrig geblieben zu sein, genauso wie die Typen im Plattenladen. So als ob sie keinen anderen Ort finden, an dem sie sein könnten. Ich meine, warum sollten die da alle noch ihre Zeit verschwenden, wenn sie woanders Geld verdienen könnten? Was ihr macht, scheint mir nur noch eine nutzlose Rumsitzerei zu sein.«
    Diese Sicht der Dinge kommt mir bekannt vor. Es ist die Haltung von Menschen, die nicht viel vom Leben erwarten. »Nicht, solange es noch etwas gibt, für das man sich begeistern kann. Dann ist es eine Investition«, versuche ich dagegenzuhalten.
    »Ach, das ist doch Quatsch, von der eigenen Arbeit zu erwarten, dass sie dich begeistert.«
    Ich gebe auf und spiele ihr Spiel mit. »Findest du echt?«
    »Ja, klar.«
    »Und denkst du deshalb, jeder Einzelne von uns hat einen an der Waffel?« Ich lege ihr den Schluss nahe, den zum Beispiel auch meine Eltern ziehen würden.
    »Vielleicht sogar das. Gestörte gibt es in dieser Gesellschaft in rauen Mengen. Vielleicht ist euer Büro so eine Art Klinik für Geisteskranke, und ihr wisst es nur noch nicht.«
    Ich muss lachen: Das würde tatsächlich einiges erklären. »Gibt es nicht irgendein Gerät, einen Detektor oder so, der feststellen kann, ob man es ausnahmsweise mal mit jemandem zu tun hat, der keinen an der Waffel hat?«
    »Das wäre ein völlig nutzloses Gerät. Es würde sowieso immer ausschlagen. Aber ich finde es hilfreich, mir klarzumachen, dass ein Mensch nie nur aus dem besteht, was er in der Gegenwart ist. Jeder trägt seine Vergangenheit mit sich herum. Immer wenn sich jemand seltsam verhält, kannst du davon ausgehen, dass eine Geschichte dahintersteckt.«
    »Das ist allerdings keine Rechtfertigung für schlechtes Benehmen.«
    »Aber eine Erklärung.«
    Es gibt Abmachungen unter den Menschen, die immer unausgesprochen bleiben und die jeder respektiert. Tatsächlich sind sie mit dem Blut der Götter auf Pergamentpapier geschrieben und unter den Tempeln vergraben worden. Eine davon ist die Regel: Wenn du jemandem deine Geschichte erzählt hast, bist du verpflichtet, auch nach seiner Geschichte zu fragen.
    Ursulas Geschichte kommt mir bekannt vor, so als hätte sie mir jemand schon mal erzählt. Ihr Kind und die gescheiterte Beziehung mit dessen Erzeuger haben sie zurück in die Kleinstadt gespült. Ihr neuer Freund (»so on/off«) betreibt einen Plattenladen, der sich langsam in ein Café verwandelt, und betätigt sich hier und da als DJ . Sie kann sich ebenso wenig auf ihn als zuverlässigen Ersatzvater für Anton verlassen wie finanziell auf den leiblichen. Und wenn die Oma sich nicht ab und zu kümmern würde … und so weiter und so fort. Die Geschichte ist mir so vertraut, dass ich ihr irgendwann nicht mehr folgen kann. Stattdessen beginne ich mich für ihren Körper zu interessieren. Unter ihrem Hausanzug zeichnet er sich deutlich genug ab, um einen bestimmten Schalter in mir umzulegen. Wie unabsichtlich rutscht der weite Ausschnitt des Pullovers von Zeit zu Zeit herunter und entblößt dabei den Ansatz ihrer Brüste. Sie trägt keinen BH . Da sie auf dem Sofa hin und her rutscht und so immer in Bewegung ist, rutscht die Jogginghose nach oben und

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