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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Spilker
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tun kann, ist, uns eine verstümmelte Version seiner himmlischen Musik zu husten. Keiner kann sich lange darauf konzentrieren.
    Die kleinen Symbole auf dem Handydisplay, die einen ständig auffordern, irgendwo anzurufen oder sich irgendwelchen Quatsch anzuhören, der einem später sowieso noch mal als E-Mail serviert wird, sind hauptsächlich dazu da, nicht beachtet zu werden. Nachrichten zu ignorieren ist einfach cooler, als ständig welche in Empfang zu nehmen. Die Leute müssen sich ja sonst gar nicht mehr bemühen, mit einem in Kontakt zu kommen, und das wissen sie letztlich gar nicht zu schätzen. Zwar tun sie so, als würden sie sich freuen, dass man immer so unkompliziert, zuverlässig und hilfsbereit ist, aber am Ende machen sie einen genau deswegen zu ihrem Handlanger, Steigbügelhalter und Sklaven.
    Als sich eine Schaffnerin nähert, wird mir klar, dass ich ein Ziel brauche, um die Frage beantworten zu können, die sie mir mit Sicherheit stellen wird, wenn ich die Fahrkarte nachlösen muss.
    Die Telefonnummer meiner Eltern ist eine der wenigen, die ich als physische Bewegung in meinem Gedächtnis gespeichert habe, weil sie auch eine der wenigen ist, die ich noch auf einer Wählscheibe gewählt habe. Ich komme also gar nicht erst in Versuchung, mich durch die Untermenüs des Adressbuches zu wühlen, die mich dazu verführen könnten, irgendwelche Textnachrichten zu lesen.
    »Hallo Mutti.«
    »Thomas?« Ihr Tonfall verrät aufrichtiges Erstaunen. »Moment mal …« Wahrscheinlich muss sie erst irgendeine Gerätschaft zur Seite legen, um die Hände zum Telefonieren frei zu haben. »Das ist aber schön, dass du anrufst! Wir haben ja lange nichts von dir gehört.«
    »Ja, ich weiß. Tut mir leid, wir hatten hier so viel Stress.«
    »Ich vermute ja auch immer, dass es dir gut geht, wenn du dich nicht meldest. Und außerdem: Stress bedeutet doch nur, dass die Firma gut läuft, oder?«
    Sie hat keine Ahnung, wie sehr sie mit dieser Annahme danebenliegt.
    »Sicher, da hast du recht«, antworte ich trotzdem, um sie nicht zu beunruhigen. Ich versuche ihr immer nur die guten Nachrichten zu überbringen. Eltern sind wie Aktionäre. »Ich hatte bei euch in der Gegend zu tun und habe keine Lust, noch so spät nach Hamburg zu fahren. Kann ich vielleicht bei euch übernachten?«
    »Wie schön! Ja natürlich, komm vorbei«, sagt Mutti. »Dein Vater ist unterwegs und erst am späten Abend wieder da.«
    Ich schaue auf die Uhr. Es ist kurz vor sieben. »So gegen neun bin ich da.«

12
    Am Umsteigebahnhof Hannover herrscht die übliche Hektik. Hier steigt selten jemand aus. Die meisten Reisenden wechseln nur das Gleis und sehen deshalb nichts von der Stadt, sofern die Züge pünktlich fahren. Meiner ist so gut wie leer. Die paar Leute, die darin sitzen, haben ausreichend Platz, sich zu entfalten. Anscheinend will heute niemand ins Ruhrgebiet. Als der Zug endlich den Weg aus der Stadt herausgefunden hat, ist es zunächst flach. Dann kommen die Abraumhalden der Eiszeit, dann wird es erneut flach.
    Der Junge mit den Segelohren hat die Bauklötze herumliegen lassen und behauptet, dass ich es war. Deshalb darf ich nach dem Mittagsschlaf nicht nach draußen. Ich will nach Hause. Ich liege auf meinem Bett und versuche etwas zu finden, das mich an zu Hause erinnert. Ein Stofftier. Ein Brief, eine Postkarte. Die in die Wäsche eingenähten Namensschilder. Irgendetwas.
    Wieder das Handy. Es ist Jimi. Er möchte sich mit mir verabreden. Als ich ihm mitteile, dass ich nicht in der Stadt bin, will er wissen, wann ich zurückkomme.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Er findet meine Andeutungen, ich könnte die Stadt für längere Zeit verlassen, melodramatisch. »Jaja, schon gut – du nimmst dir ein paar Tage frei, und wenn du dich wieder eingekriegt hast, rufsch du mich an, klar?«
    Ich verspreche es ihm, und wir verabschieden uns.
    Dann – wo ich schon mal so weit bin – öffne ich eine SMS von Matthias. »Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell«, schreibt er. »Alle wollen ihr Geld und finden, dass Du ein Arschloch bist. Irgendjemand hat noch einen Computer mitgenommen.« Das Büro sei in Auflösung begriffen und ich solle schleunigst zurückkommen und mein Leben in Ordnung bringen. Die nächste Mitteilung, ebenfalls von Matthias: »Hausmeister Schröter steht schon mit einem Werkzeugkoffer vor der Tür. Er kann es nicht abwarten, die Wände zu unseren Räumen einzureißen. Der ganze Flur ist bereits eine Baustelle. Jeder, der zu uns

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