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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Spilker
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will, muss jetzt erst mal über Schröters Gipsplatten steigen.«
    Ich habe genug, mache das Handy aus und bewege mich durch den endlosen Gang zum Speisewagen. Ein vielleicht gerade dem Teenageralter entwachsenes Liebespaar knutscht und befummelt sich hemmungslos zwischen den Waggons. Eine ältere Dame versucht sich an ihnen vorbei zur Toilette zu zwängen. Als der Zug eine Kurve nimmt, verliert sie das Gleichgewicht und fällt auf das Paar, das sich davon aber nicht stören lässt. Es sieht so aus, als wollte die Dame mitknutschen, bis sie sich schließlich wieder abstößt und weitertaumelt.
    Im nächsten Wagen versperren drei Riesenkoffer den Weg. Ich muss über sie hinwegsteigen wie über Findlinge aus der Eiszeit, was ohne Seil und Steigeisen einige Zeit in Anspruch nimmt. Weiter vorn wird es gerade laut, weil die Auseinandersetzung zwischen einem Dreijährigen und seiner Mutter eskaliert, eine Art Kriegslärm. In einem Wutanfall fegt der Kleine das Würfelspiel, die Thermoskanne und die Keksdose vom Tisch. Den Gegenschlag der Mutter bekomme ich leider nicht mehr mit, weil sich Fahrgäste hinter mir beschweren, denen ich den Weg versperre.
    Im nächsten Waggon passiere ich die Generalität, welche die Kampfhandlungen und strategischen Manöver im Zug plant. Ein General, zwei Offiziere und eine ganze Reihe von einfachem Fußvolk stehen beisammen und beraten sich in verschwörerischem Ton. Holzpaneele in dunklen Tönen und schwere Vorhänge vor den Fenstern tauchen alles in ein schummriges Licht. Die höheren Ränge tragen schwere kniehohe Stiefel und paffen Zigarren. Der General spricht in ruhigem, aber bestimmtem Ton mit den Offizieren und schaut ab und zu gelangweilt auf seine Taschenuhr. Er kennt die allerfeinsten Gesten der Herabwürdigung, auf die es in Führungspositionen ankommt.
    Etwas weiter vorn sitzt eine Frau an einem schweren Eichentisch, auch sie in Uniform, die allerdings eher nach der einer Richterin aussieht. Auf dem sehr aufgeräumten Tisch liegen ein Füllfederhalter, ein Stapel unbeschriebener Papiere sowie ein Löschblattstempel. Vor dem Tisch hat sich eine Schlange gebildet, einfache Leute in ärmlichen Kleidern, die irgendetwas von ihr zu wollen scheinen. Ich versuche mich an ihnen vorbei zu zwängen, aber in dem Verbindungsteil zwischen den beiden Wagen falle ich um und werde mit dem Gesicht auf den Boden gedrückt. Es ist gefährlich, weil die metallenen Bodenplatten hier beweglich übereinanderliegen. Eine plötzliche Kurve wäre jetzt das Ende meiner Nase, also versuche ich so schnell wie möglich wieder hochzukommen und erreiche endlich den Speisewagen.
    Ich setze mich an einen Tisch zu einer Zeitung, aus der unten zwei Beine herausschauen. Sicher, der Platz sei noch frei, meint sie, und ob ich bis jetzt eine gute Reise gehabt hätte. Das könne ich nicht behaupten, entgegne ich. Die Zeitung findet das ganz normal, man solle einfach nicht so viel darüber reden und lieber die guten Augenblicke im Leben zählen. Sie selbst zum Beispiel sei schon vor geraumer Zeit über das Bauherrenmodell gestolpert und lebe seitdem vom Existenzminimum. Aber Geld sei eben nicht alles. Sie würde in der Arbeit an sich Erfüllung finden.
    »Sind Sie auch schon bei der Generalität gewesen?«, fragt die Zeitung dann unvermittelt.
    »Ja, natürlich. Aus diesem Zugteil komme ich.«
    »Gehen Sie niemals in die andere Richtung. Ab und zu wird der Zug etwas kürzer … wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Ich habe keine Ahnung, was sie meint, bis mir dämmert, mit wem ich es hier zu tun habe. »Ah, jetzt weiß ich: Sie sind eine Verschwörungstheorie!«
    Hinter der Zeitung kommt ein Herr mittleren Alters zum Vorschein, der mich mit großen, freundlichen, aber auch ratlosen Augen ansieht. »Wie bitte?«
    »Entschuldigen Sie, ich war in Gedanken. Ist der Platz hier noch frei?«
    »Sie sitzen ja schon.«
    »Auch dafür muss ich mich wohl entschuldigen.«
    »Alles in Ordnung, behalten Sie Platz. Ich empfehle Ihnen das Jungbullenfilet.«
    »Vielen Dank.«
    Als der Kellner kommt, bestelle ich den Erbseneintopf und ein Glas Wasser.«
    »Mit oder ohne Kohlensäure?«
    »Ohne. Einfach nur Leitungswasser, bitte.«
    »Tut mir leid, aber Leitungswasser führen wir nicht. Es gibt keine Leitungen in einem Zug.«
    »Na schön. Dann eben das andere.«
    Auch die Zeitung lasse ich mir an den Tisch bringen. Ein längeres Interview mit Cole befindet sich darin. Ich bin nicht überrascht, dass im Vorfeld einer neuen CD etwas über

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