Es ist ja so einfach
»Sie ist doch tatsächlich ganz das, was Trina so albern ein >süßes Dingchen< nannte, wie?«
»Wirklich, ja. Wenn der Sohn ebenso nett ist, können wir auf John den Jovialen verzichten. Peter, bist du auch nicht zu matt, um Maurer und Klempner aufzutreiben?«
»Bin in glänzender Form.« Das machte auf mich keinen Eindruck, weil er das stets behauptete.
Mit dem Zimmermann hatten wir Glück. Ich hatte endlose Schwierigkeiten und Verzögerungen befürchtet, doch infolge der Geldknappheit herrschte in Thurston eine Flaute im Baugewerbe. Wir sicherten uns einen erstklassigen Mann, der auch nicht die Nase rümpfte, weil wir so primitive Bauten haben wollten, und sich freute, daß Andy ihm half. So kamen sie, mit Peter als Handlanger, schnell voran.
Trina gehörte inzwischen zu unserer Familie, und wir duzten einander. Sie füllte eine Lücke aus. Stets war ich, in Arbeit und Spiel, mit jungen Mädchen zusammen gewesen, und in Edgesea konnte ich auf andere gleichgesinnte Gesellschaft nicht hoffen. Sie wiederum erklärte offen, wir hätten ihr das Leben gerettet. Peter ging mit ihr brüderlich robust und manchmal auch ritterlich um, und wenn sie nicht jeden Tag bei uns erschien, brummelte er.
»Mußt bedenken, daß sie Angestellte ist«, erinnerte ich ihn dann.
»Verlaß dich darauf, daß ihr das nicht den Kopf warm macht. Ein richtiges Karnickel, so quicklebendig. Muß ja diesen feierlich ernsten Morris verrückt machen.«
Daß das auf Gegenseitigkeit beruhte, wurde deutlich genug, denn eines Tages platzte Trina heraus: »Wenn ich von diesem Sturkopf und seiner Menschheitsverbrüderung nicht bald loskomme, bringe ich ihn noch um! Andauernd hält er mir Standpauken — er trieft geradezu vor Scheinheiligkeit — , und du hast es ja selber gesehen, Helen, wie abscheulich er beim Teetrinken seinen kleinen Finger krümmt.«
»Er ist ein ziemliches Ekel«, stimmte Peter bei. »Neulich war er im Laden und gab dort eine Bestellung auf. Man hätte glauben mögen, er sei der König persönlich — so hochfahrend war sein Ton. Brüderlicher Umgang mit Alf kam gar nicht in Frage. Alf ist übrigens ein ganz braver Mann. Er blinzelte mir zu, während Morris seinen feierlichen Akt spielte. Sein Humor läßt ihn nie im Stich.«
»Nur bei Melly. Mir unbegreiflich, weshalb die sich ewig bekriegen. Aber diesen ollen Morris, den kann ich jetzt nicht mehr riechen. Helen, darf ich mir hier ein Zelt auf schlagen, wenn die Schulferien kommen?«
»Selbstverständlich. Ist herrlich, dich hier zu haben, und du wirst eine mächtige Stütze für mich sein — und für Andy, falls die Tiere hier in Rudeln anrollen. Aber kein Zelt. Wir haben noch ein Schlafzimmer frei.«
»Tatsächlich? Welch eine Erleichterung! Ich habe nämlich keinen Schimmer, wieviel ein Zelt kostet, und mein Gehalt hat man mir anscheinend schon für eine ganze Weile vorausgezahlt. Ach, das Rechnen macht einen mürbe, falls man nicht eine Hypothek aufnehmen kann, und ich hab’ nichts, worauf ich eine nehmen könnte, außer auf das Fahrrad.«
»Fährst du denn in den großen Ferien gar nicht weg?« fragte Peter erstaunt.
»Ich glaube nicht«, sagte Trina leichthin. »Macht mehr Spaß, hierzubleiben, wenn die vielen Campgäste erst da sind.«
Peter musterte sie scharf. Ihr Ton kam ihm allzu gleichgültig vor.
»Aber kümmerst du dich denn gar nicht um deine Familie, du unnatürliches Mädchen?« Peter hatte ebensowenig Hemmungen wie Trina selbst.
Sie stupste mit ihrem schäbigen kleinen Schuh ein Loch in den Grasboden und schaute uns nicht an. »Im Moment habe ich gar keine Familie«, sagte sie. »Mutter ist in Australien bei meiner verheirateten Schwester — wir sind nur zwei Kinder — , und Vater ist vor drei Jahren gestorben.«
Sie sagte das etwas pathetisch und beinah wie eine Witwe, doch Peter zeigte jetzt kein Feingefühl, sondern fuhr roh und unverblümt fort: »Und die Schwiegereltern? War dein Mann nicht Neuseeländer?«
»O nein. Ein ganz, ganz echter Schotte. Also sind meine Schwiegereltern nicht in der Gegend, Gott sei Dank. Sei doch barmherzig, Peter — weshalb willst du mich denn zu Verwandten abschieben? Möchtest du nicht, daß ich zu euch ziehe?« Wieder so recht die kleine Witwe.
»Sei doch nicht bekloppt. Natürlich ist’s uns sehr recht, aber Lehrer entfernen sich doch meistens in den Ferien möglichst weit von der Szene ihrer Plackerei.«
»Vielleicht plage ich mich gar nicht sehr. Mr. Morris ist davon jedenfalls überzeugt.
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