Es ist ja so einfach
Privatleben zu haben, unaufhörlich auf Trab zu sein und gewissermaßen verpflichtet zu sein, jedes kleine Ärgernis aus dem Wege zu räumen — ob es nun an Hundefutter fehlte oder ob jemand den Sonnenbrand hatte — , sehr quälend. Gewiß, ich hatte auch früher unter vielen Menschen gelebt und gearbeitet, war aber dann in meine eigene Wohnung heimgekehrt, von der ich, wenn ich wollte, die Welt ausschließen konnte. Trina schien alles hauptsächlich von der lustigen Seite zu nehmen, und ihr Frohsinn und ihre Geduld waren unerschöpflich.
Bis Mitte Januar waren die meisten Campgäste der >ersten Partie< abgereist, und neue Gruppen waren eingezogen. Wir alle, besonders Peter und Bruce, waren froh, als die Brooks sich verabschiedeten. In der dritten Kabine wohnte jetzt eine neue Familie. Mit den acht Jahre alten Zwillingstöchtern schloß Mr. Boyd eine vielversprechende Freundschaft. Colonel Ross versorgte unseren Haushalt reichlich mit Fisch und schien, da man ihn wieder in Ruhe ließ, vollkommen glücklich zu sein.
Die uns angenehmen Platzschnorrer blieben noch, und gelegentliche Besuche John Muirs im Camp waren nicht mehr ungewöhnlich. Offenbar hatte er erkannt, daß bei uns nichts wirklich Übles geschah. Bis jetzt war es mir gelungen, der Einladung zusammen mit den Beales in sein Haus nicht nachzukommen. Ich konnte stets dringende Arbeiten vorschützen und hatte auch tatsächlich nur selten einen freien Abend. Wie ich Mrs. Warren erklärte, war das die einzige Zeit, die mir zum Briefschreiben, Nähen oder Plätten blieb.
»Ich weiß, wie beschäftigt Sie sind, liebes Kind, aber versuchen Sie es doch mal möglich zu machen. Ich weiß, daß John sich freuen würde.« Und damit ging sie, kopfnickend und mit bedeutungsvoll strahlendem Lächeln. Mir aber imponierte ihre Darstellung von John Muirs Wünschen nicht sonderlich. Ich hegte keine Illusionen darüber, wie er mich beurteilte.
Jetzt konnte ich mir gestatten, dem Februar und damit dem Ende des stärksten Andrangs mit Freude entgegenzusehen. Auch im Februar durften wir noch guten Verdienst erwarten, doch das Leben wurde dann leichter. Noch vor drei Monaten hätte ich über die Vorstellung, ich könne auch nur zeitweise der Menschen überdrüssig werden, gelacht. Menschen im allgemeinen waren für mich das Interessanteste gewesen, und ich liebte sie sozusagen insgesamt, aber in einem Camp reiben sie einen auf, vor allem, wenn man es für seine Pflicht hält, ihnen die Ferien so angenehm wie möglich zu machen. In Wahrheit nahm ich meine Pflichten viel zu ernst. Ich glaubte, wie Peter sagte, auch noch das gewünschte Wetter beschaffen zu müssen.
An einem besonders heißen und anstrengenden Nachmittag saß ich einmal untätig und das Nichtstun sehr genießend auf der Veranda. Die anderen waren alle fischen gegangen. Ich hatte behauptet, daß ich noch viel Wäsche plätten müsse, die jetzt in entsetzlich großen Haufen auf dem Küchentisch lag, weil ich in einem Liegestuhl döste. Da erschien plötzlich ein kleiner Junge, den ich im Dorf schon gesehen hatte, neben mir.
»Bitte, Miss, es ist ‘raus«, sagte er.
Rasch richtete ich mich auf. Eins der Lieblingstiere natürlich! Wahrscheinlich der große Wolfshund, auf bestem Wege, John Muirs Schafe zu hetzen. Und der Junge setzte hinzu: »Ein Knüller ist es, und Mrs. Hennessy meint, ob Sie nicht kommen möchten und sich’s ansehen.«
Ich lehnte mich wieder an, ungeheuer erleichtert, doch nicht für lange. Denn ich hatte versprochen, zur Besichtigung des elenden Kaktusses zu kommen. Stöhnend erhob ich mich aus dem Stuhl, stieg ins Auto und sagte dem Knirps, daß ich ihn bis ins Dorf mitnehmen wolle. Er sprudelte förmlich vor Begeisterung über den Kaktus. Mehr als erstaunlich, wie die Dinger den Leuten zu Kopf stiegen...
»Er ist einfach bullig! Warten Sie nur, bis Sie den sehen. Groß wie ‘ne verflixte Untertasse.«
Mir war’s egal, ob er so groß war wie ‘n verflixter Eßteller. Ich bedauerte bloß, daß Peter, unser Kakteenliebhaber, zum Vergnügen fortgefahren war.
Aber das Kind hatte recht. Die Blüte war wirklich schön, größer als Magnolienblüten und noch herrlicher in Form und Farbe. Melly strahlte vor Freude. Die Blüte verlieh der häßlichen dürren Pflanze eine eigene Schönheit, so daß ich vage etwas von der Passion der Kakteenfreunde begriff.
»Und nun kommen Sie auf ein Täßchen Tee herein«, sagte Melly gastfreundlich, und als sie den großen Kuchen anschnitt, wurde mir ganz
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