Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es ist ja so einfach

Es ist ja so einfach

Titel: Es ist ja so einfach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
Vom Netzwerk:
klar, daß hier ein wichtiges Ereignis eingetreten war.
    Plötzlich unterbrach ein fürchterlicher Radau unser behagliches Geplauder, und durchs Fenster herein plärrte die blecherne Stimme eines uralten Grammophons, das eine Melodie spielte, die ich seit vielen Jahren nicht mehr gehört hatte. »Melisande im Walde« — Alfs schönste Methode, um Melly zu ärgern. Das hatte Trina uns ja berichtet.
    Ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut, so daß es noch mehr als sonst einem Kaktus ähnelte, und zwar einem von der nicht blühenden Sorte. Mit einem Knall schloß sie das Fenster, während ich meine Belustigung zu verbergen suchte und fortfuhr, ihr so lebendig wie möglich von Vorfällen im Camp zu erzählen.
    Mit dem ungewöhnlich guten Gehör, das ich habe, vernahm ich Geräusche auf der Veranda, die sogar das brüllende Grammophon nicht ganz zu übertönen vermochte. Leider bemerkte Melly meinen raschen Blick zum Fenster und sagte prompt: »Ich weiß schon, Sie möchten sich die Blüte anschauen, nicht wahr?«
    Das wollte ich durchaus nicht, sondern hatte, von unerklärlicher Unruhe gedrängt, den Wunsch, Melly im Gespräch im Zimmer festzuhalten. Doch das nützte nichts, denn sie schoß förmlich wieder vom Stuhl hoch und draußen war sie, ganz wild darauf, von neuem über ihre herrliche Blüte zu frohlocken. Schnell folgte ich ihr, überzeugt, daß da etwas faul war, und kam gerade noch zur Zeit, um ein bauschiges Hosenbein in Alfs Laden verschwinden zu sehen und den lähmend schrillen Wutschrei Mellys, den sie ausstieß, als sie hinüberflitzte, zu hören.
    »Er hat sie weggenommen! Er hat sie! Hat meinen Kaktus abgeschnitten!« schrie sie gellend und stürmte unbedacht in den Vorbau von Alfs Laden, wobei sie über die Matte stolperte und der Länge lang hinfiel.
    Ich lief hin, um ihr zu helfen. Im selben Moment lugte ein entsetztes Gesicht vorsichtig um Alfs Türpfosten. Als ich über die Schulter blickte, war die herrliche Blüte fort. Der schwungvolle Schnitt eines Messers hatte sie glatt abgetrennt, so daß die magere Pflanze wieder so häßlich war wie früher. Nur drei oder vier dicht zusammensitzende Knospen waren geblieben.
    Ich war empört. Natürlich hatte das Alf getan, hatte wie ein Schuljunge durch seinen Streich Melly die harmlose Freude verdorben. Nun war er auf einmal zur Stelle, besaß tatsächlich den Nerv, sich über Melly zu beugen, anscheinend besorgt und mit einer Miene, die von Scham und Reue sprach.
    »Na, na, Melly, altes Mädchen, hoch mit dir. Du bist doch nicht verletzt?« sagte er und wollte sie vom Boden heben, doch sie schlug blindlings um sich und beschimpfte ihn erbittert in spitzen Tönen.
    »Geh weg! Hinaus hier, du erzbrutaler Kerl!«
    Ich war ganz ihrer Meinung und sagte scharf: »Lassen Sie sie in Ruhe, Alf. Sie sollten sich schämen! Es ist Ihre Schuld, daß Melly verletzt ist. Überlassen Sie sie gefälligst mir. Hier, Melly, halten Sie sich an meinem Arm fest. Ist nur eine kleine Zerrung, nicht wahr?«
    »Und wenn es das ist, liegt’s nicht an ihm, diesem Barbaren! Hätte mich für immer zum Krüppel machen können, und warum? Weil er ein Dieb ist, ein richtiger Schleicher, ein Taschendieb! Kommt ‘rüber und raubt meinen Kaktus! Eifersüchtig ist er, weiter gar nichts. Hat ihm Spaß gemacht, die Blüte zu ruinieren, wie die andern auch schon!« Sie kam in Fahrt und legte mir den Charakter ihres Mannes so genau auseinander, daß es mir peinlich wurde.
    Alf war zum Schweigen gebracht. Mit der Bemerkung, sie hätte sich ja wenigstens nicht die Zunge verletzt — leider, leider — , zog er sich zurück, nicht ohne noch schnell die im Eingang seines Ladens liegende gestohlene Blüte zu bergen. Ich versuchte, Melly zu trösten, während ich sie in ihr Haus brachte.
    »Machen Sie sich nichts daraus, die Knospen sind ja noch alle da, Melly. Bald gibt es wieder neue schöne Blüten. In ein paar Tagen schon. Ja, es ist abscheulich von ihm, aber ich denke mir, er wollte ihnen nur einen komischen Streich spielen. Furchtbar albern so etwas, natürlich.«
    Ein wenig tröstete sie das, und es gelang mir bald, sie soweit zu bringen, daß sie nicht mehr über ihre verwüstete Pflanze barmte und mir erlaubte, Wasser für Tee aufzusetzen und um ihren verletzten Knöchel eine Kompresse zu legen. Ich bemerkte, daß sie wirklich Schmerzen hatte, doch etwas Ernstes schien es nicht zu sein. Tief verletzt aber waren ihre heiligsten Gefühle.
    Der Sturz hatte sie immerhin so erschüttert, daß sie

Weitere Kostenlose Bücher