Es ist ja so einfach
Regenmantel. Als ich mir rasch noch ein Tuch um den Kopf band, öffnete Trina die Tür und stand blinzelnd vor mir, mit zerzaustem Haar und erst halb wach, aber doch hübsch wie stets.
»Was ist das für ein Lärm, Helen? Ist etwa Feuer ausgebrochen?«
»Das Gegenteil. Überschwemmung.«
»Kann doch gar nicht sein! Woher soll denn so viel Wasser kommen?«
Die Frage wurde durch Andy beantwortet, der jetzt auf der Veranda erschien, naß und lästerlich fluchend; hinter ihm stand tropfend und melancholisch Venedig.
»Muß vom Bach her kommen. Geht mir am anderen Ufer beinah bis zur Hüfte. Staut sich vermutlich irgendwo. Jedenfalls ziehen Venedig und ich jetzt los — mal sehen, ob wir’s feststellen können. Es muß unbedingt für Ableitung gesorgt werden, sonst gehen wir alle baden! Wie gut, daß wir das Kochhaus und die Klos oben an den Hang gebaut haben!«
Auch ich war dafür dankbar, denn wenn die auch überflutet worden wären, hätten wir unser Camp schließen müssen. Und dann fühlte ich mich schuldbewußt, weil ich zuerst an uns gedacht hatte. Wie aber ging’s den unseligen Gästen? Um die mußte ich mich doch sofort kümmern.
»Geh wieder zu Bett«, sagte ich zu Trina. »Dabei brauchen wir dich nicht.«
»Nein, ich komme selbstverständlich mit, Liebes. Es ist furchtbar, aber doch ‘was Aufregendes.«
»Das gefährliche Lebern, das du dir immer wünschst. Bleib nur, wir kommen allein zurecht, wir sind doch zu dreien.«
Doch sie war schon dabei, sich ein paar Sachen anzuziehen, die ihr gerade in die Hände fielen. »O je, die lieben Tiere. Welch ein Segen, daß sie ihr Quartier auf der Anhöhe haben. Entsetzlich, wenn sie ertrunken wären!«
»Das wären sie gar nicht, denn Katzen und Hunde können ja schwimmen, und sehr tief ist das Wasser sowieso nicht. Nein, aber unsere Gäste tun mir leid, sie dürften einiges verlieren.«
»Schlimm. Ach, Goldkind, warum hast du gestern nicht ans Holz geklopft! Es zahlt sich nie aus, ein Risiko einzugehen.«
Ich war geneigt, ihr recht zu geben, während ich mich in Regen und Finsternis stürzte.
13
Die Verwirrung im Camp war unbeschreiblich. Das Wasser schien immer höher zu steigen. Die Zeltgäste quirlten hin und her und versuchten ihre Habseligkeiten zu bergen, ehe sie am Strand und im offenen Meer verschwanden. Die Wohnwagengäste halfen ihnen, und alle liefen kreuz und quer durcheinander. Für einen ruhigen Betrachter muß es eine sonderbare Szene gewesen sein — die im Wasser gespielten Reflexe der Lichtstrahlen von dreißig, vierzig Taschenlampen, Menschen in jeder denkbaren Kleidung und Entkleidung, wild lärmende Kinder auf Betten in den gefährlich schwankenden Zelten und den Wohnwagen, denen fast die Türen abplatzten, da so viele Leute in ihnen Schutz suchten und Sachen verwahrten.
Jeder schrie, so laut er konnte. Warnungen und guten Rat; doch niemand beachtete sie. Ich hatte eine große Stablampe mitgenommen, und Trina hatte ein Sturmlaterne im Hause entdeckt und sich damit bewaffnet. Wir wateten während unserer Rettungsversuche bis über die Knie durchs Wasser. Das Schlimme war, daß einige Leute in Panik gerieten. Eine Frau behauptete, ein Erdbeben gespürt zu haben, dessen Folge diese >Flutwelle< sei. Eine andere erklärte, es sei ein Wolkenbruch gewesen, der Bach sei über die Ufer getreten und wir müßten alle ertrinken. Mitten in diesem Alarmgeschrei hörte ich, wie Mrs. Buxton zu ihrem Mann sagte, sie habe ihn stets gewarnt, sein Gebiß auf die niedrige Kiste zu legen; jetzt sei es gewiß weit draußen im Meer.
Peter bemühte sich, die Leute zu beruhigen. »Das Wasser steigt nicht weiter, es ist gar keine Gefahr!« schrie er über den Platz. »Versuchen Sie, ihre Sachen einzusammeln und bringen Sie sie in die Wohnwagen und Autos!« Colonel Ross erschien, sonderbar gekleidet, aber ganz gelassen. Er bot jedem den Schutz seiner Kabine an, sammelte alle schwimmenden Gegenstände, die er greifen konnte, und brachte sie dort unter. Mr. und Mrs. Boyd machten sich, wenn auch mit geringer Autorität ebenfalls nützlich, in dem sie Kinder, die sie kannten, heranholten und sich erboten, sie in ihre Kabine aufzunehmen.
Plötzlich vernahm ich aus der Ferne ermunternde Rufe von Andy. »Alles in Ordnung! Mr. Muir ist gekommen. Wir haben die Stelle gefunden, wo das Wasser sich gestaut hat, und machen sie schon frei! Nur keine Angst mehr, Herrschaften, bald ist alles wieder in Butter.«
Zehn Minuten — oder zehn Stunden —
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