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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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»Sie war allein, als der alte Sensenmann angeschlichen kam...«
    So, sagte ich mir, kamen wir nicht
weiter.
    »Charlie, was wurde sonst noch auf der
Sitzung beschlossen?«
    Sein Gesicht war verständnislos. »Was?«
    »Wollen sie mich engagieren?«
    »Sie engagieren?«
    »Die Händlergenossenschaft! Wollen sie,
daß ich Ermittlungen über den Mord anstelle?«
    »Ach so, Sie engagieren. Nein. Sie
haben dagegen gestimmt, Sharon.« In seiner Stimme lag Bedauern. »Ich hab das
Gefühl, mit Joanies Tod ist auch die Händlergenossenschaft gestorben. Es ist
überhaupt kein Gemeinschaftsgefühl mehr da. Joanie ist tot, und keiner kann sie
zurückholen.«
    Ich war enttäuscht. »Und sie haben kein
Interesse daran, den Mörder zu schnappen?«
    »Doch. Oder nein. Ich glaube, jetzt
denken alle nur noch an sich. Jeder will raus, bevor er der nächste ist.« Er
warf einen verstohlenen Blick über seine Schulter. »Der alte Sensenmann
streicht durch die Salem Street, verstehen Sie, und er wird bald den nächsten
holen. Kann gut sein, daß er in diesem Moment da draußen rumschleicht, wer
weiß! Ich möchte auch weg.« In seinen Augen war etwas Irres.
    Mich fröstelte. Charlie war betrunken
und redete zweifellos dummes Zeug, aber die Geister, die er beschwor, machten
mir dennoch Unbehagen.
    »Reden Sie nicht so, Charlie. Es stirbt
keiner mehr.«
    »Ich sterbe. Sie sterben. Wir alle
müssen sterben. Zu unserer Zeit, auf unsere besondere Weise. Und wer kann
sagen, ob unser Moment nicht jetzt gekommen ist? Vielleicht ist er schon ganz
in der Nähe, nur noch Sekunden entfernt, da draußen...«
    Ich stand auf. »Charlie, ich muß weg.
Kommen Sie lieber mit nach vorn und sperren Sie hinter mir ab.«
    »Gehen Sie doch hinten raus. Die Tür
schließt von selbst.«
    »Nein«, entgegnete ich mit
Entschiedenheit. »Mein Auto steht vom.«
    Nicht um viel Geld wäre ich in den
Hinterhof hinausgegangen, wo der Sensenmann durch die Dunkelheit schlich.
    Es war schon schlimm genug, durch den
Verkaufsraum mit all dem alten Gerümpel zur Haupttür gehen zu müssen. Immer
wieder sah ich mißtrauisch nach rechts und links, entdeckte aber nichts
Bedrohlicheres als einen häßlichen alten Schrank mit geschnitzten
Gorgonenhäuptern auf der Tür. Trotzdem war ich froh, als ich draußen war. Ich
wartete noch, bis Charlie abgeschlossen hatte, dann rannte ich, unterwegs schon
nach dem Schlüssel kramend, zum Auto. Ich brauchte Helligkeit und halbwegs
nüchterne Menschen, um mir die düsteren Vorahnungen meines eigenen ungewissen
Todes aus dem Kopf zu schlagen. Außerdem mußte ich die neue Wendung der Dinge
mit Hank besprechen. Konnte ich über den Mord an Joan Albritton auch ohne
Auftrag der Händlergenossenschaft ermitteln? Ich hoffte es.
     
     
     

8
     
    Das Gefühl von Düsternis, das mich
bedrückte, wurde leichter, als ich vor der Kanzlei anhielt. Die erleuchteten
Fenster des viktorianischen Baues winkten mir freundlich, und das Licht der
Verandalampe schnitt einen gelben Kreis in die Dunkelheit. Ich rannte die
Stufen hinauf, an leeren Büros vorbei durch den Parterrekorridor, dem Klang
vertrauter Stimmen entgegen.
    Im Wohnraum lagen mehrere Leute um ein
Monopolybrett gruppiert, das mit kleinen grünen Häusern und großen roten Hotels
bepflastert war. Rundherum lag ein Vermögen an Papiergeld verstreut.
    »Wo ist Hank?« fragte ich, als einer
der Spieler aufsah.
    Er wies zur Küche.
    Ich lief weiter, dem langen roten Kabel
nach, das sich über den Boden schlängelte. An seinem Ende stieß ich auf Hank,
der mit dem Telefon im Arm hin und her wanderte. Rote Telefonapparate mit einer
zehn Meter langen Kabelschnur war eine harmlose kleine Marotte bei der
Kooperative. Im Parterre gab es sieben Apparate, und wer sie benützt hatte,
ließ sie im allgemeinen einfach da stehen, wo er das Gespräch beendet hatte.
Kein Wunder, daß die roten Kabel sich von Zeit zu Zeit hoffnungslos
verhedderten und nur mit viel Geduld und Ausdauer wieder entwirrt werden
konnten. »Hören Sie, Sie brauchen sich überhaupt keine Sorgen zu machen. Der
alte Idiot kann Sie nicht verklagen, er hat keinerlei Grund dazu«, sagte Hank
gerade. »Und wenn ich jetzt nicht schleunigst da weitermache, wo ich aufgehört
habe, als Sie anriefen, kann’s mir passieren, daß ich die Option auf ein paar
hochbegehrte Grundstücke verliere. — Ja, gut. Wiederhören.« Er knallte den
Hörer auf die Gabel und sah mich lachend an. »Die Schloßstraße und die
Parkstraße sind noch zu haben.«
    »Ich

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