Es ist nicht alles Gold...
Abend eher
gebrechlich.
»Ich hab sie geliebt«, stieß er heiser
hervor, während er sich an mich lehnte. »Alle haben sie geliebt.« Plötzlich riß
er sich von mir los und wurde ganz geschäftig. »Kommen Sie, ich möchte Sie mit
meinem Freund bekannt machen. Er hat sie auch geliebt. Ich sollte nicht so
gottverdammt egoistisch sein und sie immer nur für mich allein haben wollen.«
Es war so still im Laden, daß unmöglich
noch jemand da sein konnte. Mein Gott, dachte ich, er hat schon
Wahnvorstellungen.
Ja, es war so still, daß ich
zusammenfuhr, als an der Tür vor uns plötzlich ein Mann erschien. Er war groß,
größer als Charlie, mit etwas hängenden Schultern, und er trug einen modischen
hellen Anzug. Ein brauner Haarkranz umgab den kahlen Scheitel, und das Licht
einer Stehlampe gleich neben der Tür brach sich funkelnd in den dicken Gläsern
seiner Hornbrille.
»Ich wollte Sie nicht erschrecken«,
entschuldigte sich der Mann. »Ich bin Ben Harmon.«
Der Name war mir vage bekannt.
»Sharon McCone«, sagte ich.
Er lächelte und bot mir seine große,
gepflegte Hand.
»Ah, Sie sind die Detektivin von der
Pro te Kooperative. Joan hat mir viel von Ihnen erzählt.«
Jetzt wußte ich, woher ich seinen Namen
kannte. Ben Harmon, der sein Geld damit verdiente, daß er gewerblich Kautionen
stellte. Er war es gewesen, der Joan zur Kooperative geschickt hatte, als ihr
Enkel wegen Drogenbesitzes festgenommen worden war. Sein Büro war ein paar
Straßen weiter in der Bryant Street. Joan, die nicht gewußt hatte, was sie tun
sollte, als sie die Nachricht von der Festnahme erhielt, hatte sich
hilfesuchend an ihn gewandt.
Harmon galt, wie ich mich jetzt
erinnerte, als jemand, mit dem nicht gut Kirschen essen war. Man versuchte am
besten gar nicht erst zu türmen, wenn Harmon für einen Kaution gestellt hatte.
Er hatte einen Stab von Männern an der Hand, die sich aus dem Effeff darauf
verstanden, Flüchtigen auf die Spur zu kommen, und jeder, der seinen Vertrag
mit Harmon verletzte, wurde schnellstens aufgespürt und ins Gefängnis
zurückbefördert. Ich hatte von einem Fall gehört, wo es Harmons Leuten gelungen
war, einen widerspenstigen Mordverdächtigen, der nach Mexiko geflohen war,
dingfest zu machen.
Charlie stolperte jetzt durch die Tür
und streckte seinen Arm wedelnd in Richtung von Ben Harmons Schulter aus.
»Möchte Ihnen meinen guten Freund vorstellen. Und Joanies guten Freund. Ben hat
Joanie auch geliebt.«
Harmon lächelte nachsichtig und
befreite sich aus der Umklammerung.
»Kommen Sie, Charlie, setzen wir uns
erst mal hin. Ich schenk Miss McCone was zu trinken ein.«
Charlie nickte selig und sank in einen
schäbigen alten Polstersessel. Der kleine Raum war spärlich eingerichtet: ein
zweisitziges Sofa, ein Couchtisch mit Resopalplatte, eine zerschrammte Kommode,
eine dünne Matratze auf einer eisernen Bettstelle, ein paar Stühle. An der
gegenüberliegenden Wand hingen zwei Overalls und Charlies alte Lammfelljacke.
Eine zweite Lampe mit einem gesprungenen Porzellansockel, der mit gelben Rosen
verziert war, warf schwaches Licht auf den Couchtisch. Charlies armseliges
Leben drohte mich in eine Depression zu ziehen, als ich mich auf das kleine
Sofa setzte, das voller Kuhlen war.
Auf dem Tisch stand neben mehreren
Flaschen Gin und Wermut ein Cocktailshaker mit rostigem Metalldeckel. Harmon
wählte eines der Gläser aus, die ebenfalls auf dem Tisch aufgereiht waren,
hielt es ans Licht, um zu sehen, ob es sauber war. Es war so schmierig und
fleckig wie alle anderen.
Er warf mir einen hilflosen Blick zu,
goß Gin in das Glas und reichte es mir mit einer kleinen Verbeugung. Ich dankte
ihm mit einem Lächeln und nippte an dem Gin, bemühte mich, nicht zu husten.
Harmon setzte sich neben mich auf das
Sofa. Ich bemerkte ein Glas mit Gin auf dem Boden zu seinen Füßen.
Harmon sah mich fragend an.
»Stellen Sie Nachforschungen über Joans
— ?«
Charlie unterbrach ihn in
lamentierendem Ton. »Sie haben sie doch geliebt, nicht wahr, Ben, alter Ben?«
»Alle haben Joan geliebt«, antwortete
Harmon ruhig. »Sie und ich waren gute Freunde.«
»Das wärt ihr nicht gewesen, wenn ich
besser aufgepaßt hätte.« Charlie fing jetzt an zu lallen. »Wenn ich ihr hätte
helfen können, als der Junge von den Bullen eingelocht wurde. Sie kommt zu mir
und sagt, › Charlie, was soll ich tun?‹ Aber was hätte ich ihr raten
sollen? Ich wußte doch selber nicht, was man da tun konnte. Mensch, ich hab nie
was mit
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