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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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voller Menschen, deren Tür sich gerade zu schließen begann.
    »Warum haben Sie sie reingelassen?« Ron
schüttelte den armen eifrigen jungen Mann wie ein Wilder.
    Ich peilte den Aufzug an.
    »O Gott, und ich hab ihr auch noch das
Namensschild geschrieben.« Das hörte sich an, als hätte er einen KGB-Agenten in
eine Konferenz des Sicherheitsrats hineingelassen.
    Im letzten Moment schlüpfte ich
zwischen den sich zusammenschiebenden Türen hindurch in den Lift. Die Leute
starrten mich erstaunt an.
    »Mein ehemaliger Freund«, erklärte ich.
»Er beschimpft mich dauernd, weil ich mehr Provision mache als er.«
    Der Mann neben mir lächelte, und von
hinten hörte ich gedämpftes Gelächter. Sobald wir unten ankamen, suchte ich
mein Heil in der Flucht. Ehe ich der Händlergenossenschaft zuliebe weiteren
Unbill auf mich nahm, wollte ich nun erst einmal bei Charlie Cornish
nachfragen, ob man sich überhaupt darauf geeinigt hatte, mich zu engagieren.
     
     
     

7
     
    Auf dem Weg zum Trödelladen hielt ich
bei einer Telefonzelle und rief Lieutenant Marcus an, um zu hören, was der
Amtsarzt befunden hatte. Er faßte es kurz für mich zusammen.
    Todesursache: zahlreiche Stichwunden
ins Herz. Eine Schnittwunde in der rechten Hand. Sie hatte also versucht, ihren
Angreifer abzuwehren.
    Bluterguß auf der linken Gesichtsseite,
vor Eintritt des Todes beigebracht. Er hatte sie geschlagen.
    Geschätzte Todeszeit: zwischen
einundzwanzig Uhr 30 und null Uhr 30. Genauer ließ es sich nicht sagen. Das
hieß, sie mußte mindestens schon eine Stunde tot gewesen sein, als Charlie sie
gefunden hatte.
    Die übrigen Feststellungen besagten
wenig: Die Stichverletzungen konnten ihren Dimensionen nach von einem der
Messer mit Beingriff herrühren; die Blutproben vom Teppich entsprachen der
Blutgruppe der Toten. Mit Fingerabdrücken ließ sich nichts anfangen, da im
Laden ständig Leute ein und aus gegangen waren.
    »Insgesamt«, bekannte Marcus, »helfen
uns die Indizien nicht weiter. Aber es wird sicher etwas auftauchen. Bis dahin
kehren Sie mal brav zu Ihren Antiquitäten zurück.« Sein Ton war spöttisch und
herablassend. Zurück zu meinen Antiquitäten, wo ich hingehörte. Was hatte
dieser Mensch eigentlich gegen mich? Für einen höheren Kriminalbeamten benahm
er sich reichlich seltsam, auch wenn man den traditionellen Argwohn seiner
Kaste gegen Privatdetektive berücksichtigte.
    Nachdem ich vor dem Trödelladen
angehalten hatte, blieb ich noch eine Minute im Auto sitzen und beobachtete
einen einsamen Betrunkenen, der sich, die Flasche in einer Tüte an die Brust
gedrückt, an der Mauer entlangtastete, um seinen Weg zu finden. Als er vorbei
war, stieg ich aus und sperrte den Wagen ab.
    Die großen Schaufenster des Ladens
waren dunkel, aber tief drinnen konnte ich einen Lichtschein erkennen. Ich trommelte
fest an die Tür und hörte nach einer kleinen Weile schlurfende Schritte. Durch
die Glasscheibe sah ich Charlies eingefallenes Gesicht, dann begannen Schlösser
und Riegel zu knirschen.
    Als ich durch die Tür trat, schlug mir
durchdringender Gingeruch entgegen. Charlie war daran, seinen Kummer zu
ertränken, der offenbar zählebig war. Einen Moment lang betrachtete er mich mit
glasigen Augen und schlaffem Mund, dann brummte er: »Ach, Sie sind’s.«
Augenblicklich drehte er sich um und schlurfte davon, ließ mich einfach an der
offenen Tür stehen. Ich schloß sie und sperrte ab und folgte dann seiner
schwankenden Gestalt durch den breiten Mittelgang.
    »Es geht ein böser Wind, Sharon. Ja,
ein böser Wind weht heute abend über die Welt.«
    Mich schauderte unwillkürlich.
Angesichts des mit altem Gerümpel vollgestopften Raumes und Charlies Stimmung
wünschte ich verspätet, ich hätte mit meinem Besuch bis zum nächsten Morgen
gewartet.
    »Spüren Sie es, Sharon? Diesen bösen
Wind, der weht, als wolle er niemals innehalten?«
    Charlie drehte sich mit flackerndem
Blick nach mir um. Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte ich. Ein
Betrunkener, der Gespenster sieht.
    »Ja, ich spüre es, Charlie.«
    »Er weht schon seit langem. Ich hätte
darauf achten sollen. Vielleicht hätte es dann nicht so geendet. Nicht auf
diese Weise.«
    Er sprach bemerkenswert deutlich,
obwohl seine Augen kaum noch etwas zu sehen schienen.
    Ich ging zu ihm und nahm seinen Arm.
    »Kommen Sie, gehen wir nach hinten und
setzen uns, Charlie.« Ich machte mich daran, ihn ins erleuchtete Hinterzimmer
zu führen. Groß und kräftig wie er war, wirkte er an diesem

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