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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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mit rotem Gesicht unter dem Tisch hervor. Der
Mann war Oliver van Osten. Ich hatte sein Versprechen, vorbeizukommen und mir
bei der Warenbestandsaufnahme zu helfen, ganz vergessen.
    Van Osten sah aus wie aus dem Ei
gepellt. Ich rieb mir hastig die schmutzigen Hände an der Hose, bis mir
aufging, was das für eine Schlamperei war. Aber van Osten schien es gar nicht
zu bemerken. Er lächelte nur und sagte: »Na, wie kommen Sie zurecht?«
    »Ganz gut, aber hier steht unheimlich
viel Zeug rum. Selbst wenn man weiß, daß einige der Antiquitäten nicht echt
sind, ist es irgendwie überwältigend.«
    Er nickte. »Da kann ich Ihnen helfen.
Kommen Sie, setzen wir uns, dann erzähle ich Ihnen ein bißchen was über
Antiquitäten — um sie zu entmystifizieren gewissermaßen.«
    Wir gingen nach vom. Van Osten setzte
sich neben Clotilde und gab ihr zur Begrüßung einen freundschlaftlichen Klaps
auf die Schulter. Ich ließ mich auf einem Hocker nieder.
    »Wie laufen Ihre Ermittlungen?« fragte
van Osten.
    »Besser als die Bestandsaufnahme«,
schwindelte ich. »Gibt’s schon Verdächtige?«
    »Darüber möchte ich im Moment nichts
sagen.«
    Van Osten schien über diese Antwort
nicht erfreut.
    »Wie gut waren Sie mit Joan Albritton
bekannt, Oliver?«
    Er runzelte die Stirn.»Oberflächlich.
Sie war eine Kundin — allerdings besser als die meisten, das muß ich sagen.«
    »Inwiefern?«
    »Sie verstand etwas von Antiquitäten,
von Kunst.« Er machte eine geringschätzige Geste. »Die meisten Käufer — was
wissen die schon? Ich könnte meine ›Antiquitäten‹ als authentisch an sie
verkaufen, und sie würden den Unterschied überhaupt nicht sehen.«
    »So wenig wissen die Leute über das,
was sie verkaufen?«
    »Sie würden sich wundern, wie
ahnungslos die meisten sind. Manche von ihnen sammeln privat; ich berate sie,
sage ihnen, was sie kaufen sollen. Es ist ihnen völlig gleich, was es ist,
Hauptsache es ist teuer.« Sein Gesicht war voller Hohn. »Sie müssen mich
fragen, was sie kaufen sollen, und dann behandeln sie mich wie den letzten Dreck.
Nicht zu glauben, was da für primitive Leute auf dem hohen Roß sitzen.«
    Van Osten schien immer noch unter den
Minderwertigkeitsgefühlen des ehemaligen Provinzlers zu leiden.
    »Sie verstehen offenbar sehr viel von
Kunst«, bemerkte ich.
    »Genug«, sagte er kurz. »Ich habe unter
einigen hervorragenden Leuten studiert. Aber beschäftigen wir uns wieder mit
den Fakten, die Sie für diese Bestandsaufnahme brauchen.«
    Ich merkte, daß er fürchtete, zuviel
von sich preisgegeben zu haben. Ich nickte. »Gut. Worauf kommt es also an?« Van
Osten wurde wieder etwas lockerer. In seiner Rolle als Lehrer fühlte er sich
sicher.
    »Erstens: Viele der beeindruckenden
Namen und Bezeichnungen, die Antiquitäten gegeben werden, sind schlicht und
einfach Händlerjargon, und den Händlern liegt in erster Linie daran, die Preise
oben zu halten.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Van Osten wies zu einem Bord hinter
mir.
    »Sehen Sie sich den Topf da an. Wenn
Joan bemerkt hätte, daß ein Kunde ihn musterte, hätte sie ein Gespräch
angefangen, von einem schönen, alten Gefäß voller Würde gesprochen und das Ding
verkauft. Wir beide wissen, daß es nur ein alter Einmachtopf ist, aber als ›altes
Gefäß mit Würde‹ hat es wesentlich mehr Zauber.«
    Ich verstand.
    »Die Händler werten ihre Ware mit
Vorliebe durch grandiose Beschreibungen auf«, fuhr van Osten fort. »Sie sagen
zum Beispiel, ›ja, das ist ein Stück im Stil Ludwigs des Vierzehntem, aber das
besagt noch lange nicht, daß der Artikel Frankreich je gesehen hat. Und wenn
man’s genau betrachtet, hat das Zeug, das man hier in der Salem Street kaufen
kann, fast durchwegs den Stil dieses alten Einmachtopfs, wenn man hier
überhaupt von Stil sprechen kann.«
    »Hört sich ja an, als wäre das ein
ziemlich trickreiches Gewerbe«, bemerkte ich.
    »Klar. Stimmt genau.« Er stand auf und
ging zu der Vitrine, die noch offenstand, entnahm ihr ein kleines ovales
Döschen. »Was denken Sie, was das ist?«
    »Eine Pillendose.«
    »Falsch. Es ist eine Schnupftabaksdose.
Die waren mal groß in Mode. Ein ganzes Ritual ist damit verbunden. Man muß
genau dreimal — nicht mehr und nicht weniger - auf die Dose klopfen, damit der
Schnupftabak sich setzen kann. Dann öffnet man sie, nimmt eine Prise, und zwar
genau so wie ich es jetzt zeige...« Er führte es mir mit einem spöttischen
Lächeln vor.
    »Diese Dose«, fuhr er dann fort und
hielt sie mir

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