Es ist nicht alles Gold...
ernster Fall
zu sein, wenn du sogar mit der Polizei Umgang pflegst«, bemerkte Paula, die von
Polizeibeamten nicht viel hielt.
»Von Umgang-Pflegen kann keine Rede
sein. Er war hier im Museum, und da mußte ich höflich sein.«
»Ein Bulle mit Kultur! Kaum zu
glauben.«
Um das Gespräch in andere Bahnen zu
lenken, sagte ich: »Mir ist in den letzten Tagen viel Unglaublicheres
untergekommen.« Ich erzählte ihr von dem Mord und dem Verlauf meiner
Nachforschungen bis zu diesem Augenblick. Sie hörte mir aufmerksam zu, machte
nur hin und wieder eine kurze Bemerkung, während wir zu meinem Wagen gingen.
»Na, du kommst wirklich rum«, meinte
Paula. »Vom Trödler bis zu Cara Ingalls. Mrs. Ingalls sitzt übrigens in unserem
Verwaltungsrat — vom Museum, meine ich. Ich hätte es nie fertiggebracht,
einfach so auf sie zuzugehen, wie du das getan hast. Aber ich laß mich sowieso
leicht von Leuten einschüchtern, die so viel Kunstverstand haben wie sie.«
Paula schwieg einen Moment mit nachdenklicher Miene. »Mit ein paar von diesen
Sachen aus dem Laden könnte ich bestimmt einige ganz aufregende Schaustücke
zusammenstellen. Wie wär’s mit einer kopflosen Schneiderpuppe, die einen
ausgestopften Hund spazierenführt, hm? Hör mal, Sharon, dieser Edwin kann durchaus
wertvoll sein. Für manche von diesen alten Schaufensterpuppen bekommt man heute
hohe Preise. Du sagst, er ist aus Holz?«
»Er hat einen Holzkopf und einen Körper
aus Stoff. Dazu eiserne Schuhe.«
»Weshalb die Schuhe? Komisch, das
alles. Und wie kann man nur auf den Gedanken kommen, seinen Hund ausstopfen zu
lassen? Verrückt, was den Leuten alles einfällt.« Inzwischen waren wir bei
meinem Auto angekommen, und ich sperrte den Kofferraum auf.
»So, hier sind die Bilder.«
Ich nahm sie heraus und legte sie auf
die Kühlerhaube. Paula beugte sich über sie und begutachtete sie in aller Eile.
»Oh, das sind Arbeiten von Richard. Richard Solsby. Die erkenne ich auf den
ersten Blick.« Sie sah mich mit einem etwas wehmütigen Lächeln an. »Richard und
ich hatten vor ungefähr einem Jahr mal eine nette kleine Affäre, aber sie war
nicht von Dauer. Ein Mensch, der nur drei Sujets malen kann, hat auch sonst
etwas bedrückend Zurückhaltendes, weißt du.«
»Wie meinst du das, nur drei Sujets?«
Paula lehnte sich an das Auto und zählte
sie an den Fingern ab.
»Stilleben mit Blumen und Früchten,
Seestück, Straßenszene. Du hast hier eine hübsche kleine Auswahl seiner
Arbeiten. Wir könnten wahrscheinlich eine Ausstellung machen.«
»Und was ist mit dem religiösen Zeug?«
»Religiös? Ach, du meinst die Madonna
mit dem Kind.« Sie drehte den Kopf nach dem Bild. »Das stammt eindeutig nicht
von Richard. Ich war so erfreut, als ich seine Sachen sah, daß ich das Bild
ganz übersehen habe. Ich habe nämlich immer noch ein gewisses Interesse an Richard.
Er schuldet mir noch fünfzig Dollar, und ich hoffe von Herzen, er verkauft
endlich mal was.«
Paula griff nach dem Madonnabild und
begutachtete es mit ernsthaftem Gesicht.
»Nein, das ist eindeutig nicht von
Richard. Das ist gut, beinahe zu gut.«
»Zu gut?«
»Ja, viel zu gut.« Ihre Stimme war
erregt. »Sharon, sieh es dir doch mal an. Das Blattgold da — das ist eine sehr
alte Technik, und auch diese Art, auf Holz zu malen und nicht auf Leinwand...«
Sie sah auf und kniff einen Moment ganz fest die Augen zu. »Verdammt noch mal!
Was denke ich da?«
»Also, wenn du das nicht weißt?«
»Pscht.« Sie hob die Hand, um mich zum
Schweigen zu bringen. Ihr Gesicht war ganz konzentriert. »Ich möchte schwören,
daß das ein Bellini ist. Ja, ich könnt’s schwören. Ist dir eigentlich klar, daß
du mit einem Gemälde durch die Gegend gezuckelt bist, das mehr als
hunderttausend Dollar wert ist?«
»Du spinnst!« Mir wurde ganz schwach.
»Von wegen! Ach verflixt, wenn ich doch
meinen Hefter mit den Zeitungsausschnitten hier hätte.« Paula wirkte echt
ratlos.
»Würdest du mir das bitte mal genauer
erklären? Was ist ein Bellini?«
»Bellini«, sagte sie langsam und
akzentuiert, »ist ein italienischer Maler des fünfzehnten Jahrhunderts. Er hat
viele Altarstücke für Kirchen gemalt. Und ich glaube, dieses Bild gehört zu so
einem Altarstück.«
»Wie meinst du das — es gehört dazu?«
»Es ist Teil eines sogenannten
Triptychons, eines dreiteiligen Altarbildes. Auf den beiden Seitenflügeln sind
Darstellungen von Heiligen oder ähnliches, und in der Mitte ist die Madonna mit
dem Kind oder eine
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