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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Kreuzigung.«
    Ich seufzte. »Dann lassen wir es am
besten amtlich schätzen. Dadurch wird sich der Wert des Nachlasses von Joan
Albritton ganz wesentlich erhöhen.«
    »Aber verstehst du denn nicht?« fragte
Paula mich verblüfft. »Dieses Gemälde hat hier in den Vereinigten Staaten
nichts zu suchen, und schon gar nicht in einem billigen Antiquitätenladen in
der Salem Street.«
    »Wieso nicht? Joan hatte einige
wertvolle Dinge. Es waren ja nicht lauter Nachahmungen.«
    Paula zitterte praktisch vor Aufregung.
    »Sharon, die Altarbilder Bellinis waren
Eigentum reicher italienischer Kirchengemeinden. In letzter Zeit sind viele
dieser Kunstwerke gestohlen worden.«
    »Du meinst, das Bild ist geklaut?«
    Sie nickte. »Ich hab vor einiger Zeit
einen Artikel über Kunstdiebstähle in Italien gelesen. Er blieb mir im
Gedächtnis, besonders die Passage über das verschwundene Bellini-Tryptychon.
Ich habe mir den Artikel damals ausgeschnitten und bin ziemlich sicher, daß ich
ihn noch zu Hause habe.«
    »Du lieber Gott!« rief ich. »Das ist
ein Meisterwerk?«
    »Ganz recht. Und es ist hier
eingeschmuggelt worden. In dem Artikel hieß es, daß der italienische Zoll den
illegalen Transport der Gemälde nicht verhindern kann, und daß diese am Ende
meistens in den Händen privater Sammler landen. Es gibt Sammler, für die ist es
aufregend, ein gestohlenes Kunstwerk zu besitzen, auch wenn sie sich nur ganz
allein und in aller Heimlichkeit daran ergötzen können. Es ist eine richtige
Krankheit — wie beim sprichwörtlichen Geizhals und seinen Geldsäcken. Auf jeden
Fall ist dieses Gemälde irgendwie aus Italien in die Salem Street gelangt, und
das kann noch nicht allzulange her sein. Der Diebstahl war im vergangenen
Sommer.«
    »Von Italien in die Salem Street. Ob
Joan wohl wußte, daß sie ein Meisterwerk in ihrem Laden hatte?« Ich hielt inne,
als ich mir klarmachte, was es zu bedeuten hatte, wenn ich die Frage bejahte.
Joan Albritton eine Schmugglerin?
    »Ein tolles Arrangement«, meinte Paula.
»Ein Sammler könnte die Gemälde in der Salem Street abholen, ohne daß jemand
ihren Wert auch nur ahnt. Wer würde denn dort echte Kunstwerke suchen?«
    Ja, wirklich ein ideales Arrangement.
Aber wie, fragte ich mich, hatte Joan die Dinger überhaupt eingeschmuggelt. Und
dann fiel mir ein, wie Joan den größten Teil ihrer Waren eingekauft hatte.
    »Paula«, sagte ich, während ich mir die
Dinge langsam zusammenreimte, »wenn ein Gemälde wie dieses mit einer regulären
Lieferung von Bildern — Nachahmungen, die erst im letzten Monat hergestellt
wurden — hier einträfe, würden das die Leute vom Zoll merken?«
    »Nein, sicher nicht, wenn die Lieferung
von einem bekannten Hersteller käme. Die Italiener können nicht jede Lieferung
untersuchen, die hinausgeht. Und der amerikanische Zoll würde sich die Arbeit
bestimmt auch nicht machen.«
    »Wieso eigentlich nicht?«
    »Hast du schon einmal beim Löschen der
Ladung eines Schiffes unten an den Docks zugesehen? Es ist zwar ein Zollbeamter
da, aber im allgemeinen öffnet er die Kisten nicht. Beim Zoll gibt es
hervorragend ausgebildete Kunstexperten, aber ihre Aufgabe ist es, Fälschungen
zu erkennen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Kunstwerke — Gemälde, Skulpturen,
Gegenstände von offenkundigem kulturellen Wert — dürfen zollfrei eingeführt
werden. Sie dienen der kulturellen Bildung und so. Viele Importeure geben ihre
Waren einfach für echt aus, um keinen Zoll zahlen zu müssen. Du kannst dir
vorstellen, daß die Experten alle Hände voll zu tun haben, um solche
Schwindeleien aufzudecken. Sie haben nicht die Zeit, jede Sendung
zollpflichtiger Waren — zu denen deine nachgeahmten Antiquitäten ja gehören — zu
untersuchen.«
    »Wenn also der Bellini von einer
angesehenen Firma an einen hier bekannten Händler ging, wenn regelmäßig
Sendungen dieser Firma an diesen Händler einträfen, dann ist er den Zollbeamten
einfach zwischen den Fingern durchgeschlüpft?«
    »Ich bin überzeugt davon.«
    Ich lehnte mich an den Wagen, während
ich meine Fakten ordnete. Joan Albritton und Oliver van Osten — Schmuggler?
    »Sharon, das Bild darf nicht so
herumgezerrt werden«, sagte Paula. »Es ist sehr alt, und schon die geringsten
Temperaturschwankungen können ihm schaden. Ich glaube, ich nehme es am besten
mit ins Museum.«
    »Nein«, rief ich. »Nein, ich bringe es
lieber zur Polizei. Da ist es sicher.«
    Ich nahm ihr das Bild aus der Hand und
holte eine Wolldecke aus dem Auto.

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