Es ist niemals vorbei
Doch andererseits, wäre Jasmine Mac nicht gefolgt, wäre Mac in jener Höhle gestorben, zusammen mit einem Mann, der vielleicht sein Sohn war, der ihn aber hasste und zu dem Mac nie hätte zurückkehren dürfen.
Wäre Mac nicht nach Mexiko geflogen, wäre Diego längst tot. Dann hätte er uns nicht terrorisieren können, und Mac und Jasmine wären hier. Ich spürte die Wut, die unter meiner Haut kribbelte, rieb meine Arme und schloss die Augen.
Wenn.
Wäre. Hätte.
Alles nur Möglichkeiten, die mich vergifteten. Ich musste versuchen, diese Gedanken zu vertreiben.
Zwanzig
Am nächsten Tag fuhren wir heim. Als wir über den Brooklyn Queens Expressway kamen und die Atlantic Avenue erreichten, atmete ich auf. Auf dem Weg hatten wir zweimal Rast gemacht. Aus Billys iPod ertönte
On the Road Again
, und Ben hüpfte auf seinem Kindersitz auf und ab. Auf halber Strecke durch Connecticut hatten wir entdeckt, dass Ben ein großer Willie-Nelson-Fan war, und dessen Songs auf Billys iPod rauf und runter gespielt. Um Ben auf dieser langen Fahrt ruhigzuhalten, war uns alles recht.
Unser Haus war noch genau so, wie wir es vor anderthalb Wochen Hals über Kopf verlassen hatten – und doch war alles anders. Eine Last war von unseren Schultern genommen worden, wir waren in Sicherheit – und ich hatte eine gebrochene Nase.
Wir luden unsere Koffer aus und bedankten uns herzlich bei Billy. Ich hatte ihm vorgeschlagen, mit uns zu Abend zu essen, eine improvisierte Mahlzeit, die ich von dem Chinesen um die Ecke kommen lassen wollte, aber er hatte abgelehnt. Wahrscheinlich wollte er lieber allein sein mit seinen Gedanken an Jasmine. Dass wir noch immer nichts von ihr gehört hatten, machte uns alle unruhig, aber für Billy war es um einiges schlimmer, denn er liebte Jasmine. Ich wusste nur zu gut, was er empfand. Vom Bürgersteig aus sahen Mac und ich zu, wie er davonfuhr. Dann gingen wir ins Haus, um den ruhigen Familienabend mit Ben und meiner Mutter zu genießen.
Später, als meine Mutter und Ben bereits schliefen, lagen Mac und ich im Bett und unterhielten uns. Mac lag auf der Seite, in gestreifter Schlafanzughose und frischem weißem T-Shirt, den Ellbogen aufgestützt. Ich konnte kaum glauben, was er vor kurzem durchgemacht hatte. Es war, als hätte er unter der Dusche nicht nur den Reisestaub abgespült, sondern auch die Angst, die ihn in Mexiko ständig begleitet hatte. Über den Rand seines Ausschnitts schaute ein winziges Stück der lavendelblauen Tätowierung hervor. Ich wollte diese Dahlie nie mehr wiedersehen.
«Wie sieht es denn nun aus? Wirst du etwas unternehmen, um herauszufinden, ob Diego tatsächlich dein Sohn ist?»
«Glaubst du, er ist es nicht?»
«Nach einem DNS -Test weißt du es genau.»
Selbst in dem weichen Licht der kleinen Lampe, die wir brennen gelassen hatten, erkannte ich die Reue in Macs Blick und wusste, wie sehr ihn das, was geschehen war, bedrückte. Ohne Absicht hatte er ein Kind gezeugt, als er selbst noch ein Junge war, und die Folgen waren verheerend gewesen. Und jetzt war auch noch Jasmine verschwunden.
«Ich weiß nicht, ob Ana so weit gegangen wäre, wenn Diego nicht mein Sohn wäre. Und sie muss sich dessen doch sicher sein.»
«Gut und schön, aber wenn du mich fragst, ist Ana nicht ganz dicht.»
Mac lachte schallend auf und ließ sich auf den Rücken fallen. Ich fühlte mich ziemlich angeschlagen, aber seine Heiterkeit war ansteckend. Wir lachten beide.
«Willst du eigentlich wissen, was du seit letztem August alles verpasst hast?» Ich hob den Zeigefinger und begann, die Anlässe der Reihe nach aufzuzählen. «Unser Hochzeitstag.» Mittelfinger. «Thanksgiving.» Ringfinger. «Die Weihnachtsfeiertage und Silvester.» Kleiner Finger. «Bens Geburtstag. Dazu die Geburtstage von Rosies Kindern
und
der Geburtstag von Danny, den er dank dir im Gefängnis verbracht hat.» Dazu brauchte ich die andere Hand.
«Klingt, als müsste ich noch jede Menge Geschenke kaufen gehen.»
«Nein, Mac, dass du uns wiedergeschenkt wurdest, reicht uns allen aus.»
Macs Augen wurden feucht. Er zog mich an sich, und ich schmiegte mich an seine Brust. Es war nach Mitternacht, ein neuer Tag begann, und wir liebten uns in der Stille und Sicherheit unseres eigenen Schlafzimmers, in unserem eigenen Haus, in unserer Straße, in unserer Nachbarschaft und der Stadt, die wir als unser Zuhause gewählt hatten.
Wir waren wieder daheim.
Am nächsten Morgen wurde ich von Stimmengemurmel und dem Geklapper
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