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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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für ein Hirngespinst gewesen? Schon den Vorschlag zu machen, war ihm gegenüber nicht fair gewesen.
    Auf dem Weg zur U-Bahn-Station an der Sixth Avenue rief ich Mac noch zweimal an.
    «Ich bin auf dem Weg nach Hause. Bis später. Ich liebe dich.»
    Bei meinem zweiten Anruf setzte ich hinzu: «Mach dir keine Gedanken wegen des Abends, okay? Es spielt keine Rolle.
Ich liebe dich.
»
    Als ich um zwanzig nach neun nach Hause kam, war ich vor allem müde – und hungrig. Ich zog mein Kleid aus, schlüpfte in ein Nachthemd und warf einen Blick in Bens Zimmer. Er schlief zusammengerollt auf der Seite und schnaufte. Meine Mutter setzte sich zu mir in die Küche, und ich fiel über die übriggebliebenen Nudeln her. Wenn meine Mutter abends Ben hütete, begleitete Mac sie gewöhnlich nach Hause. Sie wohnte zwar nur sieben Blocks von uns entfernt, aber sie fühlte sich nicht wohl dabei, in der Dunkelheit allein durch die Stadt zu laufen, schließlich hatte sie ihr gesamtes Leben in einem ruhigen Vorort zugebracht.
    «Er kommt sicher bald nach Hause», versicherte meine Mutter mir ein ums andere Mal.
    Aber nach zwei Stunden war Mac immer noch nicht da, und er rief auch nicht an.
    «Könnte er vielleicht bei Detective Staples sein?», überlegte meine Mutter.
    «Gute Idee.» Ich rief Billy Staples an, aber der hatte den ganzen Tag nichts von Mac gehört.
    Meine Mutter runzelte die Stirn. «Vielleicht ist er bei seiner Schwester.»
    Also rief ich Rosie an, die mir mitteilte, seit dem Telefonat am Morgen mit Mac nicht mehr gesprochen zu haben.
    Es wurde Mitternacht, und immer noch kein Mac. Ich brachte meine Mutter in das Gästezimmer gleich neben Bens Zimmer und wollte mich in unser Bett legen, um zu warten. Einschlafen würde ich sicher nicht, dazu war ich zu sehr in Sorge. Ich musste einfach den Schlüssel im Schloss der Haustür hören, Macs Schritte und dann das Gewicht seines Körpers spüren, wenn er neben mir auf die Matratze sank.
    Und dann war es plötzlich Morgen. Die Nacht hatte ich in einem Schwebezustand zwischen Wachen und Schlafen zugebracht, so lange, bis die ersten dünnen Streifen Sonnenlicht in den Raum sickerten, die Dunkelheit vertrieben und die Nacht zum Tag machten. Macs Bett war unberührt geblieben. Und doch fragte ich mich, ob er wohl noch kommen würde, ehe Ben seinen ersten Weckruf startete. Mac war ein liebevoller Vater, der es hasste, eines unserer Familienrituale zu verpassen.
    Jetzt fing Ben an zu weinen. Kurz überlegte ich, ob Mac vielleicht schon irgendwo im Haus war und zu Ben ging. Ich wartete noch eine Minute und dann noch eine. Aus Bens Weinen wurde wütendes Gebrüll.
    «Soll ich ihn holen?», rief meine Mutter.
    «Nein, lass nur. Ich bin wach.»
    Ben stand in seinem Bett und umklammerte die Gitterstäbe so fest, dass die Knöchel seiner pummeligen Händchen ganz weiß waren. Sein kleines Gesicht war tränenüberströmt.
    «Tut mir leid, Baby.» Ich küsste seine weiche, nasse Wange. «Schhh, Mommy ist ja da. Alles ist gut, jetzt ist doch alles wieder gut.»
     
    An Wochentagen wimmelte der Platz vor dem MetroTech Center von Angestellten, doch an diesem Samstagmorgen lag er so gut wie verlassen da. Außer mir war dort nur noch ein älteres Paar, das auf einer Bank saß, und ein Obdachloser, der eine überquellende Mülltonne durchwühlte und sich hier und da etwas in den Mund steckte. Seit ich Mutter geworden war, konnte ich nicht mehr wegsehen, wenn ich herumstreunende und verwahrloste Menschen sah. Es war, als wären sie plötzlich aus ihrer Anonymität hervorgetreten, hätten Gestalt angenommen und wären zu Individuen geworden, sodass ihr Anblick mich schmerzhaft berührte und daran erinnerte, dass auch sie einmal von einer Mutter geboren worden waren. Aus dem Mann, der sich an diesem stillen Morgen von Müllresten ernährte, wurde für mich jemandes Säugling und jemandes Kind, das auf der Reise seines Lebens irgendwie vom Weg abgekommen war. Im Vorbeigehen reichte ich dem Mann einen 5-Dollar-Schein und schaute ihm in die Augen, ehe ich weiterging.
    Am Ende des Platzes überquerte ich die Straße zum Eingang des 84. Reviers. Telefonisch hatte ich mein Problem nicht vortragen wollen, nicht mit meiner Mutter im Haus, deren Nervosität mich ansteckte. Ich dachte, wenn ich ohne Umschweife verkündete: «Mac ist verschwunden», würde Billy Staples mir gar nicht erst mit seiner Erfahrung kommen und sich in Statistiken ergehen, nach denen jemand, der nicht nach Hause gekommen war, noch

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