Es ist niemals vorbei
«Geh jetzt. Und sag mir wegen des Dinners Bescheid. Ich erhalte die Reservierung aufrecht, aber es ist deine Entscheidung. Wenn wir nicht gehen, ist es auch in Ordnung.»
Von der Treppe aus sah ich zu, wie Mac über die Straße in Richtung Smith Street und U-Bahn-Station verschwand. Er bewegte sich langsam, als widerstrebe es ihm fortzugehen, obwohl es ihn doch eben noch ins Büro gedrängt hatte. Eine Welle der Liebe durchflutete mich, und ich konnte den Blick erst von ihm lösen, als er am Ende der Straße angelangt war.
Doch dann, gerade als ich mich abwenden wollte, drehte Mac sich um und warf mir eine Kusshand zu. Ich tat, als würde ich sie auffangen und auf mein Herz kleben.
Kurz vor ein Uhr traf ich mich mit meiner Mutter im Book Court. Das war der Buchladen an der Court Street, in dem sie halbtags das Lager verwaltete. Eigentlich hatte ich gehofft, Ben nach Hause fahren zu können, ihn dort zu füttern und ihn dann hinzulegen, um in der Zeit ein paar Hausarbeiten zu erledigen. Aber Ben schlief bereits in seinem Buggy, und ich wollte ihn nicht wecken.
«Ich habe ihn müde gemacht.» Meine Mutter lächelte. Wie sehr sie es genossen hatte, musste sie mir gar nicht sagen, denn sie hing sehr an Ben und spielte liebend gern mit ihm, erst recht, seit ihre beiden anderen Enkelkinder dreitausend Meilen entfernt von ihr lebten. «Er ist ganz verrückt nach der Schaukel.»
«Das weiß ich nur zu gut. Neulich habe ich ihm mindestens eine Stunde lang Schwung geben müssen.»
«Brauchst du mich heute Abend? Wie geht es Mac überhaupt?»
«Nicht sehr gut. Ich glaube nicht, dass er heute Abend Lust hat auszugehen.»
«Ich bin flexibel.» Mom warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. «Gib mir einfach Bescheid.»
Meine Mutter betrat den Laden und begrüßte die junge Frau hinter der Theke. Durch das Schaufenster konnte ich sehen, dass der Mann, dem der Laden gehörte, ebenfalls da war. Er nickte ihr freundlich zu und sagte irgendetwas, als meine Mutter an ihm vorbei in das nach hinten gelegene Lager ging.
Da Ben nun mal jetzt schon sein Nickerchen machte und es ein wunderschöner Sommertag war, beschloss ich, ein paar Besorgungen zu machen. Nach einer Stunde hingen die Einkaufstüten wie Girlanden an den Buggygriffen. Inzwischen war ich müde und ging in einen Coffee-Shop namens «One Girl Cookies», um mir einen Eis-Espresso zum Mitnehmen zu kaufen. Beim Warten in der Schlange entdeckte ich in der Vitrine eine Torte mit hübscher Verzierung. Die Glasur war türkisblau und mit einem Kranz aus leuchtend gelben Sternschnuppen umrandet. Als ich an der Reihe war, fragte ich, ob ich für den nächsten Tag noch eine Torte bestellen könne.
«Logo», sagte das Mädchen hinter der Theke und reichte mir eine Klappkarte mit den verschiedenen Sorten.
Ich bestellte eine Kürbistorte mit Creamcheese-Glasur und zur Garnierung zwei rote, ineinander verschlungene Herzen, die für uns und unseren zweiten Hochzeitstag stehen sollten. Als Inschrift wählte ich «Alles Gute und Liebe zum Hochzeitstag» – etwas platt, aber passend, wie ich fand.
Inzwischen war ich überzeugt, dass Mac das Dinner absagen würde. Aber er würde nicht zulassen, dass sein Kummer den Tag zunichtemachte. Schließlich ging es um die Erinnerung an ein wunderbares Ereignis, das uns sehr glücklich gemacht hatte. Und es war ja längst nicht
alles
verloren. Am Samstag würden wir unseren Hochzeitstag richtig feiern und uns nicht mit dem Tag begnügen müssen, an dem das angesagte Restaurant noch einen Tisch frei hatte. Da meine Kochkünste nicht der Rede wert waren, würde ich unser Lieblings-Sushi kommen lassen, und wir würden still miteinander feiern. Auf dem Nachhauseweg besorgte ich eine Flasche Champagner.
Als ich Ben auf unser Haus zuschob, sah ich schon von weitem, dass etwas auf der Eingangstreppe stand. Es war ein Karton. Der Aufschrift nach stammte er aus einem Blumenladen. Wahrscheinlich handelte es sich um eine weitere Beileidsbekundung für Mac. Davon hatte er in der letzten Woche jede Menge bekommen, in Form von Karten wie auch Blumensträußen und einmal sogar einer blühenden Pflanze. Ich stellte den Buggy mitsamt dem schlafenden Ben auf dem Bürgersteig ab und stieg die Treppe hoch. Auf der obersten Stufe ließ ich mich nieder, hob den Karton auf meine Knie und klappte den Deckel auf.
Ein Dutzend lavendelblauer Dahlien lag in einem Bett aus weißem Seidenpapier. Dann fand ich die Karte. Dort stand:
Ich werde warten.
Eine Unterschrift
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