Es ist niemals vorbei
unseren kleinen Safe enthielt. Darin bewahrten wir die wenigen Dinge auf, die zu wichtig oder gefährlich waren, um sie offen herumliegen zu lassen. Ich ging die Umschläge durch, in denen unsere Geburtsurkunden, Testamente und Lebensversicherungsurkunden steckten, und nahm sogar die Waffe heraus, die wir uns mehr aus alter Gewohnheit zugelegt hatten. Es war eine Neun-Millimeter-Ruger P95. Mac hatte sie ausgesucht, und ich hatte dazu meinen Segen gegeben. Sonst befand sich nichts in dem Safe. Danach durchstöberte ich Bens Zimmer. Oben im Haus durchwühlte ich den Garderobenschrank und betastete die Innenseiten sämtlicher Schuhe und Stiefel. Dann machte ich mich an den Küchenschrank, obwohl ich wusste, dass Mac hier niemals etwas versteckt hätte. Je länger ich suchte, desto fiebriger wurde ich.
Wo zum Teufel
steckte
diese Kette?
Dann fiel mir ein, dass Quest einen Safe für teure elektronische Geräte besaß, die sie mitunter bei ihren Überwachungsaufträgen einsetzten.
Ich lief zum Telefon und wählte Macs Büronummer. Tina, seine Sekretärin, meldete sich beim zweiten Klingeln.
«Büro von Sigrid Albert.»
Schön, dachte ich, dann ist wenigstens eine Frau an Macs Posten gelangt. Zwar war ich Sigrid Albert nie begegnet, aber Mac hatte sie geschätzt. Die beiden hatten etwa zur gleichen Zeit bei Quest angefangen und als Deidres Protegés gegolten.
«Hallo, Tina. Ich bin’s – Karin.»
«Oh, hallo.»
«Ich danke Ihnen für die Sachen aus Macs Büro.»
«Ach, das war doch selbstverständlich.»
«Aber ich habe noch eine Frage. Haben Sie einen Moment Zeit?»
«Klar.»
«Ganz unten lag doch so ein Beleg.»
«Meinen Sie den kleinen gefalteten Zettel? Der lag in Macs privater Schublade. Ich habe ihn nicht einmal angeschaut.»
«Ja, den meine ich. Es war der Beleg für eine Kette, die Mac gekauft hatte. Unser zweiter Hochzeitstag stand ja kurz bevor. Die Sache ist nur, dass ich diese Kette nirgends finde.»
«Hm. Hier ist sie aber nicht, und ich habe wirklich alles eingepackt.»
Ihre Stimme klang defensiv. Das tat mir leid, denn natürlich verdächtigte ich sie nicht, die Kette an sich genommen zu haben. Tinas Verlobter war ein wohlhabender junger Mann, und der Verlobungsring an ihrer Hand dürfte fünfmal so viel wie die Kette gekostet haben. Sie hatte es gar nicht nötig, dieses Schmuckstück zu stehlen. Und sie war nett, darin täuschte ich mich sicher nicht.
«Ich dachte, Mac hätte sie vielleicht im Bürosafe aufbewahrt.»
«Oh, ach so. Tja, das könnte sein. Okay, ich schaue nach und melde mich wieder.»
Während ich auf ihren Rückruf wartete, richtete ich mein und Bens Mittagessen her, ein gegrilltes Käsesandwich, das wir uns teilen würden. Ben würde nach einer Hälfte und ein paar Bananenscheiben satt sein, und ich brachte neuerdings nie mehr als ein halbes Sandwich herunter. Seit Mac verschwunden war, fehlte mir der Appetit. Das Sandwich war noch nicht ganz fertig, als Tina anrief.
«Hi, Tina.»
«In dem Safe ist sie nicht, ich habe ganz genau nachgeschaut.»
«Merkwürdig.» Ich wendete das Sandwich und legte den Deckel zurück auf die Pfanne.
«Vielleicht hat Mac sie bei einem Freund gelassen.»
«Ja, das wäre auch eine Möglichkeit.» Ich dachte an Billy, der in unserer Nähe wohnte. Mac hätte die Kette an unserem Hochzeitstag bei ihm abholen können. Aber warum hatte Billy mir dann nichts gesagt? So etwas hätte er doch niemals für sich behalten, er hätte mir die Kette gegeben. Etwas anderes war völlig undenkbar.
«Das mit Mac tut mir sehr leid», sagte Tina. «Ich hatte ihn wirklich gern. Wenn Sie wüssten, wie ich geweint habe.»
«Das glaube ich Ihnen.»
«Alle bei uns hat das mitgenommen. Und Sigrid ist unglücklich, weil sie aus diesem Grund seinen Job bekommen hat.»
«Das verstehe ich. Mac hat der Grund seiner Beförderung auch nicht gepasst. Er hat an Deidre nie gezweifelt.»
«Tja, und dann wurde er selbst noch in die Sache hineingezogen. Als hätten er
und
Deidre die Beweise gefälscht.»
Was war das? Soweit ich wusste, war nur Deidre bezichtigt worden. Von ihr hieß es, dass sie gegen Geld falsch ausgesagt hatte. Von Mac war nie die Rede gewesen, und wenn, dann hatte er es mir verschwiegen.
«Ich fürchte, da komme ich jetzt nicht ganz mit.»
«Das tut keiner», flüsterte Tina. «Ich meine, wie kann man Mac denn an einem Tag den neuen Posten geben und am nächsten sagen, er hätte ihn nicht verdient? Mich macht das richtig krank. Gut, dass ich
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