Es ist niemals vorbei
demnächst heirate, sonst müsste ich mich nach einem neuen Job umsehen.»
«Komisch, von diesen Problemen hat Mac mir nie etwas erzählt.»
«Das Ganze ging kurz vor dem Tod seiner Eltern los, vielleicht –» Tina brach ab und wechselte die Richtung. «Das war sicher eine schwere Zeit für ihn.»
«Ja, aber was genau wird Mac denn vorgeworfen?»
«Na, ungefähr das Gleiche wie Deidre. Obwohl das hier kaum einer glaubt. Mac tut so was doch nicht.»
«Wissen Sie, wo Deidre jetzt ist?»
«Wie ich gehört habe, wieder in Florida. Da kommt sie her, und da unten gibt es jede Menge große Sicherheitsunternehmen.»
Ich hoffte sehr, dass sie es schaffen würde, sich dort ein neues Leben aufzubauen. Wenigstens hätte sie dort das schönere Wetter. Und mit der Zeit würde sie vielleicht sogar vergessen, was sie bei Quest durchgemacht hatte, denn das musste widerlich gewesen sein. Jedenfalls hatte Mac es so geschildert.
Plötzlich ertönte in meinem Rücken ein lautes Zischen, und dicke schwarze Wolken stiegen auf. Ich hatte unser Sandwich vergessen.
«Okay, Tina, vielen Dank», verabschiedete ich mich hastig.
Aber Tina war noch nicht fertig. «Ja, dann noch viel Glück bei der Suche nach der Kette.»
«Danke, ich werde sie schon noch finden.»
«Wenn Mac was verstecken wollte, dann wusste er sicher, wie man das macht.»
«Ganz ohne Frage.»
Ich warf den Hörer auf und hob den Pfannendeckel hoch. Dunkler Rauch schlug mir entgegen, aber das Sandwich konnte ich noch retten. Mit einem Spachtel schaufelte ich es auf einen Teller und ließ es abkühlen, um die verkohlten Stellen dann abzukratzen, Ben setzte ich auf seinen Hochstuhl. Er verputzte seine Hälfte in null Komma nichts, aber ich bekam keinen Bissen herunter.
Immerzu gingen mir Tinas Worte durch den Sinn. Ich stellte mir den Druck vor, unter dem Mac gestanden haben musste. Wahrscheinlich hatte er darunter ebenso gelitten wie Deidre zuvor. Und womöglich hatte er mir nichts erzählt, um mich nicht zu beunruhigen. Es war kurz vor Beginn meines neuen Semesters gewesen, aber eigentlich war das kein Grund, mich zu schonen. Sicher, abends war ich müde gewesen, weil Ben mich den ganzen Tag auf Trab gehalten hatte. Genau genommen waren Mac und ich beide abends immer müde gewesen, und deshalb hatte er mich wahrscheinlich nicht zusätzlich belasten wollen. Ich stellte mir die dunklen Wolken vor, die sich über ihm zusammengebraut hatten, nur wenige Tage bevor seine Eltern ermordet wurden und sein Bruder ins Gefängnis wanderte. Es war eine ganze Sturmfront, die sich über Mac entladen hatte. Und dann noch sein Hang zu Depressionen – mir dröhnte der Kopf. Mac, der Stoiker, und Mac, der Depressive, mussten eine äußerst schwierige Koexistenz in seinem Inneren geführt haben. Wie viel Kraft es ihn gekostet haben musste, beide Seiten im Gleichgewicht zu halten! Wie hatte er seine zunehmende Angst mur mit seinem Selbstbild vom gefestigten, kompetenten Mac in Einklang gebracht?
Und doch begriff ich nicht, weshalb er sich mir nicht anvertraut hatte.
Warum hatte er sich mir nicht geöffnet, mit mir geredet und mir
alles
erzählt?
Ich hätte ihm helfen können.
Vielleicht hätte ich ihn sogar retten können.
Fünf
Die letzte Wärme des Sommers, die noch in der Luft gelegen hatte, war verschwunden und einer Kühle gewichen, die schon den ersten Biss hatte. Auf dem Weg über die West 58th Street zur U-Bahn-Station Columbus Circle knöpfte ich meine Strickjacke bis oben hin zu. Es war später Nachmittag, und die Sonne neigte sich bereits dem Horizont zu. Der Abend begann jetzt jeden Tag ein wenig früher.
Der Sommer war vorüber.
Der Herbst war gekommen.
Bald würde es Winter sein.
Die Jahreszeiten veränderten sich, das Rad des Lebens drehte sich weiter, und Mac war noch immer nicht zurückgekehrt. In den sieben vergangenen Wochen waren die offenen Fälle einer nach dem anderen abgeschlossen worden: Detective Pawtusky in Bronxville hatte seinen Mörder hinter Gittern, Detective Staples in Brooklyn wusste, was aus seinem Vermissten geworden war, und Sergeant Jones in Stony Creek hatte ihren Selbstmörder. Fall erledigt. Ende des Kapitels. Nächster Fall. Das Leben ging weiter.
Die Frage war nur, wie?
Und warum kam mir dieses Ende so unbefriedigend vor? War das immer so, wenn man zum Abschied eine Kusshand zugeworfen bekommen hatte, die
bis später
sagte? Konnte sich der andere gleich danach in Luft auflösen?
An der Ecke Eighth Avenue schlüpfte ich rasch in
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