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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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kann, zumindest für eine Hinterbliebene wie mich, der plötzlich ein Ernährer fehlt. Mir tat sich eine riesige Grauzone auf, in der sich Leid mit finanziellen Sorgen paarte. Eine Zeitlang versucht man, damit fertigzuwerden, aber dann gibt man auf und geht unter.
    «Gefällt es dir?» Ich zeigte meiner Mutter Bens Halloween-Kostüm.
    «Wie süß! Ach, übrigens habe ich Ben heute schon gebadet. Ich hoffe, das war dir recht.»
    «Aber sicher. Vielen Dank.»
    «Er wirkte müde, und ich dachte, mal eher schlafen zu gehen, könnte ihm nicht schaden. Schließlich ist morgen ein großer Tag für ihn.» Meine Mutter zog die Ofenklappe auf, holte ein Blech mit einem golden gebackenen Hühnchen, Gemüse und knusprigen Kartoffelscheiben hervor und setzte es auf der Herdplatte ab. Eine Dampfwolke stieg auf.
    «Die Einzelheiten von Halloween wird Ben doch noch gar nicht begreifen.»
    «Nein, aber er wird dabei sein, und wir können Fotos machen. Später, wenn er älter ist, werden sie ihm viel bedeuten. Du wirst schon sehen.»
    «Wo ist er eigentlich?»
    «Na, im Bett.»
    «Oh, ich dachte –»
    «Ich habe ihn gebadet
und
gefüttert. War das nicht richtig?»
    «Mom, alles, was du tust, ist richtig.»
    Meine Mutter hob die Brauen und sah mich an.
    «Das meine ich ernst.» Und so war es auch. Wie konnte ich mit jemandem über Bettzeiten streiten, der sein ganzes Leben umgekrempelt hatte, um mir bei der Erziehung meines Kindes zu helfen?
    «Weißt du überhaupt, wie spät es ist?», fragte meine Mutter.
    «Vielleicht sechs oder halb sieben.»
    «Es ist halb
acht

    Ich warf einen Blick auf die Wanduhr. Genau genommen war es schon fünf nach halb acht.
    Den Tisch hatte meine Mutter bereits gedeckt, und wir setzten uns. Ich hatte immer noch keinen Appetit, deshalb aß ich von dem leckeren Hühnchen gerade soviel ich schaffte. Sehr viel war es nicht. Irgendwie war es ganz natürlich, dass das Gespräch von Brathuhn zum Truthahn kam und damit zu Thanksgiving, dem nächsten Feiertag, der vor der Tür stand.
    «Jon und Andrea haben beschlossen, in Kalifornien zu bleiben», erklärte meine Mutter. «Also werden wir nur zu dritt sein.»
    «Auch gut», erwiderte ich, obwohl mich der Gedanke, meinen Lieblingsfeiertag ohne Jon, Andrea, deren Kinder und Mac zu verbringen, todtraurig machte.
    «Wir werden Fotos machen.»
    «Warum bist du seit kurzem so darauf erpicht, alles Mögliche zu fotografieren? Ben erinnert sich doch sowieso an nichts.»
    «Das spielt keine Rolle. Später wird er sich die Fotos anschauen und wissen, was gewesen ist.»
    Bei den Worten beugte meine Mutter sich vor und schaute mich vielsagend an. Ich begriff, dass sie jede einzelne Station in Bens Leben dokumentieren wollte, bevor er sich selbst erinnern konnte. Mir traute sie es offenbar nicht zu, dass ich mich an die Einzelheiten aus der Zeit nach Macs Verschwinden erinnern würde. Sie wollte sichergehen, dass Ben eines Tages erfuhr, dass wir kein wichtiges Ereignis ausgelassen hatten, damit er wusste, dass wir ihn in dieser Phase nicht vernachlässigt hatten.
    «Weißt du, was ich dich schon seit einer Weile fragen wollte?», begann ich nach kurzem Zögern.
    «Was?»
    «Wie kannst du dir so sicher sein?»
    Meine Mutter legte ihre Gabel ab. Sie wusste, dass ich mich auf Macs Tod und nicht auf sein Verschwinden bezog, denn die beiden Möglichkeiten hatten wir ausgiebig diskutiert.
    «So zu denken, fällt mir einfach leichter.»
    Das konnte ich sogar verstehen, denn die Zweifel waren zermürbend. Ich musste an diesen Traum denken, in dem man fliegt, regelrecht spürt, wie man schwerelos durch die Lüfte gleitet, in dieser Zwischenwelt ohne jeden Zweifel, die erst im Aufwachen allmählich verblasst.
     
    Halloween wurde zu einem sonderbaren Ereignis, lustig, bedrückend und aufregend zugleich. Ben saß als Tigger verkleidet in seinem Buggy und hielt mit glänzenden Augen einen Plastikkürbis in den Händen. Ich schob ihn durch die Straßen, und meine Mutter bannte jeden Augenblick in ihre kleine Digitalkamera. Wir hatten beschlossen, noch im Hellen loszulaufen, damit Ben sich nicht in der Dunkelheit fürchtete. Doch schon um vier Uhr nachmittags spukten überall kostümierte Kinder und sogar Erwachsene in ausgelassener Stimmung durch die Gegend. Wir sahen Prinzessinnen, Hexen, Kobolde, Gespenster, Skelette und andere unheimliche Gestalten, die sich die Gesichter grün angemalt hatten. Dann und wann beugte sich jemand aus einem Hauseingang vor und warf Süßigkeiten in

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