Es ist niemals vorbei
Daraufhin hat er mich angerufen und um einen Wagen gebeten.»
Im Geist überschlug ich den Ablauf. Als wir uns schlafen gelegt hatten, musste Jasmine wieder in New York gewesen sein. Um jetzt wieder hier zu sein, hätte sie auf dem Absatz kehrtmachen müssen.
«Du bist gar nicht zurückgefahren! Du hast hier irgendwo mit dem Wagen gewartet, damit Mac sich mitten in der Nacht davonstehlen konnte!»
Jasmine schwieg. Das war mehr als eine Bestätigung. Wieder einmal hatten sie hinter meinem Rücken gehandelt, ganz gleich, was es für mich bedeutete oder wie groß die Gefahr für Mac sein würde. Ich wusste nicht, auf wen ich wütender war, auf Mac oder auf Jasmine und ihre ganze Bande.
«Arbeitet er wieder für euch?»
«Reg dich ab, Karin. Mac wäre ohnehin nach Mexiko geflogen. Dann hat er die Nachricht gehört und seine Entscheidung getroffen. Leicht ist ihm das nicht gefallen, denn er war ziemlich von der Rolle.»
Ich schnappte mir ein weißes Sofakissen und warf es Jasmine an den Kopf.
«Ist es dir ganz egal, dass er jetzt umgebracht wird? Und dass wir wieder genau da sind, wo wir schon einmal waren?»
«Woher willst du das wissen?»
«Warum habt ihr nicht jemand anders geschickt? Ana kennt Mac. Alle da unten kennen ihn.»
«Mag sein, aber sie wissen nicht, dass er für uns gearbeitet hat.»
«Meinst du nicht, das hätten sie inzwischen herausbekommen? Ana hat uns wieder Blumen geschickt – sie hat uns gedroht!»
Jasmine seufzte. Wenn es heikel wurde, schien es ihr die Sprache zu verschlagen.
«Verschwinde!», schrie ich wütend und warf ein Kissen nach ihr.
«Karin, bitte. Es ist noch dunkel. Ich habe kein Auto. Wie soll ich denn –?»
«Hau ab!» Ich warf das nächste Kissen. Diesmal zog Jasmine rechtzeitig den Kopf ein.
«Na schön.»
Sie stand auf, schlüpfte in ihre Cowboystiefel, schnappte sich die Jacke von einem Sessel und ging zur Haustür.
In diesem Moment wachte Ben auf.
Aus ihrem Zimmer rief meine Mutter: «Karin?»
Und mein Handy klingelte.
Ich dachte, hoffte inständig, dass Mac mich erreichen wollte, um mir zu sagen, er habe es sich anders überlegt und sei doch nicht bereit, einem jungen Mann zu helfen, den er kaum kannte, dass er eingesehen habe, wie hoch der Preis sei, wenn er sein Ziel starrköpfig weiterverfolge … Ich stürzte zu meiner Handtasche, kippte den Inhalt auf dem Boden aus und wühlte mein Handy hervor. Klappte es auf.
Unbekannt
stand auf dem Display. Ein kaltes, unbarmherziges Wort.
Ich erinnerte mich an jenen friedlichen Sommermorgen vor etwa einem halben Jahr, an den Anruf, die Blumen auf der Treppe und an meine Freude auf den Abend. Damals hatte ich noch nicht gewusst, welcher Schrecken auf mich lauerte.
Noch immer wie betäubt, stierte ich auf das Display, erinnerte mich an meinen Traum, dachte, dass Mac mich wieder verlassen und Jasmine mich wieder hintergangen hatte. Keine wahre Freundin würde so etwas tun. Ich fing an zu zittern, fühlte mich am Boden zerstört und versuchte zu begreifen, was in meinem Leben vor sich ging. Was war, wenn ich diesen Anruf annahm? Wie sollte ich mich verhalten?
Ich wollte diesen Anruf nicht.
Und doch musste ich ihn annehmen.
«Hallo?»
«Karin, hör mal –»
«Billy?»
«Ja, ich. Was ist eigentlich mit dir los?»
«Wie bitte?»
«Jazz hat mich gerade angerufen. Sie macht nur ihren Job, Karin, und du gehst hin und faltest sie zusammen. Du wirst doch wohl noch wissen, was das heißt: einen Job zu erledigen.»
«O ja, und deshalb weiß ich, dass es bessere Möglichkeiten gegeben hätte. Zum Beispiel, einen anderen als Mac nach Mexiko zu schicken. Oder sich nicht hinter meinem Rücken mit meinem Mann zu verschwören.»
«Aber du musst doch verstehen –»
«Was denn? Dass ihr Macs Schuldgefühle seinem Sohn gegenüber ausgenutzt habt, um ihn wieder ins Spiel zu bringen?»
«Karin, bitte, so war das nicht.»
«Hältst du mich für blöd? Natürlich war das so.»
«Niemand ist so gut geeignet wie Mac –»
«Was denn? Eine wandelnde Zielscheibe zu sein?»
«Wenn Ana hört, dass er wieder da ist, wird sie aus ihrem Versteck hervorkommen. Dann schnappen wir sie, ehe sie auch nur piep sagen kann.»
«Träum weiter, Billy.»
«Du bist einfach zu emotional. Das war schon immer dein Problem.»
«Du glaubst vielleicht, du kennst mich, aber tust du das wirklich? Meinst du, nur weil du mit Mac befreundet bist, kennst du auch mich?»
«Ich kenne dich gut genug. Du denkst, was dir gerade passt, und tust, was
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