Es ist niemals vorbei
gestartet?»
«Wohin wollten Sie denn, Schätzchen?», fragte die Graue.
«Ich suche nach einer Freundin.» Jasmine als meine Freundin zu bezeichnen, fiel mir schwer. Zu einem Teil war sie es, zum anderen nicht. Überhaupt wusste ich sehr wenig über sie. Sicher war nur, dass ich mich ihr gegenüber unmöglich benommen hatte. «Vermutlich ist sie vor einer halben Stunde hier angekommen. Sie ist so um die dreißig, dunkel, lange Haare, sehr hübsch.»
«Die war hier. Wirklich eine gutaussehende Frau. Hat den Flug nach Boston genommen.»
Trotz der Kälte trat mir Schweiß auf die Stirn. «Wann ist sie gestartet?»
«Momentchen mal.» Die Rothaarige trat zu dem Schalter nebenan, tippte mit langen Fingernägeln auf der Tastatur ihres Computers herum und deutete auf ihren Bildschirm. «Sechs Uhr fünfundzwanzig ging die Maschine nach Boston.»
Ich warf einen Blick auf die Digitaluhr an der Wand zwischen den beiden Schaltern. 6:47.
«Wann wird sie landen?»
«Sieben Uhr vierzig.»
«Und wann geht der nächste Flug nach Boston?»
Die beiden Damen konsultierten ihre Computer.
«Elf Uhr fünfzig», sagte die Rote.
«Bei uns wäre der nächste Flug Punkt zwölf.» Die Graue lächelte. «Du hast mich um zehn Minuten geschlagen.»
«Könnten Sie für mich herausfinden, wann ich heute von Boston aus nach Mexiko weiterfliegen kann?»
«Wohin denn da?», fragte die Graue.
Wo genau La Huacana lag, wusste ich nicht. «Nach La Huacana. Das ist eine kleine Stadt im Südwesten von Mexiko. Könnten Sie vielleicht nachschauen, welche größeren Flughäfen es dort in der Nähe gibt?»
«Da hätten wir Morelia und Guadalajara», sagte die Rote. «Aber es gibt nur wenige Flüge, leider keinen direkten Anschluss. Mit Ach und Krach könnten Sie es heute noch schaffen. Ankunft spätabends. Es ist ein Flug mit langen Wartezeiten zwischen den einzelnen Verbindungen.»
«Ich würde was darum geben, wenn ich jetzt in Mexiko wäre», sagte die Graue.
«Und ich erst.» Die Rote lächelte mich an. «Soll ich Ihnen die Flüge buchen?»
«Ich bin mir noch nicht sicher, aber vielen Dank für die Auskunft.» Ich schenkte den beiden Damen ein Lächeln oder das, was ich dafür hielt. Offenbar war es eher eine Grimasse, denn die Graue hob die Brauen und sah mich erstaunt an. Ich ging in den Wartesaal, ließ mich nieder und dachte nach.
In weniger als einer Stunde würde Jasmine in Boston landen. Bis ich den dortigen Flughafen erreichte, wäre sie längst fort, auf dem Weg nach Mexiko, wenn sie bei ihrem Entschluss blieb. Was sie wahrscheinlich tat, denn wenn ich stur wie ein Esel war, war Jasmine stur wie eine ganze Herde Esel. Aber wohin wollte sie in Mexiko? Ich wusste ja nicht einmal, ob sie nach Morelia oder Guadalajara oder sonst wohin wollte. Um mich zu sammeln, atmete ich ein paarmal tief durch. Dann rief ich Fred Miller an, in der Hoffnung, dass er heute früh im Büro war.
War er nicht.
Ich versuchte es bei Hyo, aber auch er war noch nicht im Büro.
Schließlich ging ich in das Café. Dort saß nur ein einziger Gast außer mir, ein Mann in blauem Overall. Auf seiner Brust stand aufgestickt der Name
Bill
. Seine Fingernägel hatten Trauerränder, und während er seinen Kaffee trank und ein süßes Gebäckstück verdrückte, schaute er immer wieder nervös auf seine Armbanduhr.
Ich setzte mich an einen kleinen runden Tisch und bestellte Kaffee, Rührei und Toast. Viel brachte ich nicht herunter. Ich war völlig ratlos. Was sollte ich jetzt tun? Die Worte meiner Mutter klangen mir wieder im Ohr.
Dir ist doch klar, dass du ein Kind hast, oder?
Ja, ich hatte ein Kind, Ben, einen Sohn, den ich liebte. Ebenso wie ich damals meine Tochter Cece geliebt hatte. Ein Kind zu haben, war keine Garantie, dass man es auch behalten würde. Ein Kinderleben war ein zartes Pflänzchen, das im Handumdrehen vernichtet werden konnte. So war es bei Cece gewesen. Ich erinnerte mich genau an das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte. Ich hatte ihr einen kleinen Kuss gegeben und sie gedrückt, ehe ich sie Jackson zurückgereicht hatte. «Bis heute Abend», hatte ich den beiden nachgerufen und war zur Arbeit geeilt. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ich keinen von beiden wiedersehen würde.
Als ich heute Morgen zum Taxi gestürzt war, hatte ich mich von Ben nicht einmal verabschiedet. «Bis später», hatte ich meiner Mutter zugerufen und war aus dem Haus gerannt.
Ich sah auf mein Rührei, den weich gewordenen Toast und den Kaffee, der
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