Es klopft
nicht«, sagte Thomas, »es kommt alles etwas überraschend.«
Das schließe sich einfach aus, sagte sein Vater, da solle er sich keine Illusionen machen, und eine Frau, die er erst so kurze Zeit kenne, könne doch nicht die Frau des Lebens sein, zu der sie sich mit diesem Kind offenbar machen wolle. Dass es ihr ihre Karriere verbaue, sei ihre Sache, aber dass es auch ihm die Karriere verbaue, sei wohl auch seine Sache.
Von Karriere verbauen könne keine Rede sein, erwiderte
Thomas, die seinige hänge bestimmt nicht davon ab, ob er ein Praktikum bei diesem oder einem anderen Projekt mache, und eine Abtreibung sei keine Kleinigkeit, da müsse schon Anna selbst darüber bestimmen.
Eine Abtreibung sei überhaupt keine Sache, zu diesem Zeitpunkt sowieso nicht, und er gebe ihr die Adresse eines Kollegen, der so etwas einwandfrei mache und ihr auch gleich sage, bei wem sie vorher das Zeugnis holen müsse, dass es für sie nicht zumutbar sei.
»Warum so heftig?« fragte Julia, »ein Enkelkind, weißt du, wie schön?«, um dann, zu ihrem Sohn gewandt, weiterzufahren, »ich würde dich und Anna jedenfalls unterstützen, so gut ich kann.«
Ihre Augen schimmerten, als sie das sagte.
Manuel starrte entgeistert auf seine Serviette.
18
F ür mich?«
Mirjam war überrascht. Anna hatte ihr ein Päcklein zugeschoben, kaum dass sie sich auf den Stufen niedergelassen hatten, die aus dem Ufer der Limmat eine Einladung zum Nichtstun machten.
Es war der Sonntag nach der letzten Aufführung von »Leonce und Lena«, und am frühen Nachmittag saßen viele junge Leute hier, sonnten sich oder liebkosten einander, rauchten oder hörten aus ihren umgehängten iPods Musik, zu der sie die Hände oder Füsse oder den ganzen Oberkörper leicht bewegten. Etwas weiter weg saß ein Dunkelhäutiger mit einer farbigen Wollmütze, dessen Finger unglaublich virtuos über eine winzige Trommel wirbelten. Es war so warm, dass einige der Männer mit nackten Oberkörpern dasaßen, und einige der Frauen in einem Bikini-Oberteil. Am Steg der Bootsvermietung herrschte ein beachtlicher Pedaloverkehr, und vom See her war ab und zu das Hupen eines Dampfschiffes zu hören.
Anna hatte Mirjam bei der Dernièrenfeier am gestrigen Abend gefragt, ob sie sich heute hier treffen könnten.
Mirjam öffnete das Päcklein, das mit einem roten Band mit Goldrändern zugeschnürt war, und war entzückt. Darin lag, neben einem durchsichtigen Säckchen Schokoladetruffes, ein kleiner Stoffeisbär.
»So schön!« rief Mirjam, »Danke, Anna!« Sie küsste sie.
»Und Truffes, meine Lieblinge!« Mirjam öffnete das Säcklein, hielt es Anna hin, die eins herausnahm, und nahm sich dann selbst eins.
»Und womit hab ich das verdient?« fragte sie, während sie die Schokoladekugel im Munde zergehen ließ.
»Deine Inszenierung war sehr wichtig für mich. Es war meine erste größere Rolle -«
»- du hast es wunderbar gemacht, Anna, ich denke, du hast noch vieles vor dir!«
»- und es wird auch meine letzte sein.«
Mirjam erschrak. Wie denn, was denn, wieso denn.
Es sei ihr klar geworden, entgegnete Anna, dass sie keine Schauspielerin sei.
Aber sicher sei sie das, sagte Mirjam.
Nein, nein, das habe sie ja schon in der ersten Probe gesehen, als sie wegen dieses Liedchens habe weinen müssen. Das alles nehme sie viel zu stark her. Es gelinge ihr nicht, die Distanz zur Rolle zu gewinnen, die sie zu spielen habe. Sie sei die Figur, anders gehe es gar nicht. Und das mache sie fertig.
Das komme dann schon mit der Zeit, das sei auch eine Frage der Routine, versuchte Mirjam zu trösten.
Anna schüttelte den Kopf.
»Am schlimmsten war für mich die Stelle: ›Wo ist deine Mutter? Will sie dich nicht noch einmal küssen? Ach es ist traurig, tot und allein.‹ Nie konnte ich sie sprechen, ohne an meine Mutter zu denken, ich spürte jedesmal einen Kloß im Hals, ich kämpfte jedesmal mit den Tränen, und ich fürchtete mich jedesmal davor. So kann man nicht spielen.«
»Es gibt noch andere Rollen.«
»Gretchen? Die Kindsmörderin? Solveig von der dritten hat mich gefragt, ob ich in ihrem Urfaust das Gretchen spielen wolle.«
»Du wärst super, das weiß ich.«
»Gib dir keine Mühe, Mirjam, ich werde im Sommer in die Regieklasse wechseln. Ich glaube, das ist etwas, was ich kann. Beim Theater möcht ich eben schon gern bleiben.«
Ja, Regie mache Spaß, sagte Mirjam, das habe sie jetzt gemerkt, aber leiden müsse man wohl genau gleich wie beim Spielen, bis man dran glaube, dass
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