Es klopft
dem Wann und Wie zu fragen, und Thomas sagte ihnen, was er schon darüber wusste. Allzuviel war es nicht, denn er hatte dieses Praktikum erst an dritter Stelle auf seine persönliche Wunschliste gesetzt und hatte auch seine Bewerbung nicht mit der größten Sorgfalt eingegeben, da sich eine Kollegin und ein Kollege dafür interessierten, die er beide für
qualifizierter hielt. Der Kollege, ein Tessiner, hatte sich aber kurzfristig entschieden, bei einer Studie über die Gesundheit der Kastanienbäume im Maggiatal mitzumachen, für die er angefragt wurde, und die Kollegin hatte ihre Anmeldung wieder zurückgezogen, als sie vernahm, dass eine Freundin in der U-Bahn von Mexiko City überfallen und ausgeraubt worden war.
Das Praktikum sollte im Sommer beginnen und bis Weihnachten dauern, und bevor Thomas die Rede darauf brachte, dass es wohl nicht ohne finanzielle Unterstützung der Eltern zu machen wäre, sagte sein Vater, wegen des Geldes brauche er sich keine Sorgen zu machen, das bezahle alles die Krankenkasse. Das war seine Formel, die er auch bei andern Gelegenheiten benutzte, wenn er sich auf seine gutgehende Praxis bezog.
Thomas war wieder einmal gerührt über die väterliche Großzügigkeit und überhaupt über die positive Reaktion der beiden.
Julia sagte, dann könnten sie ihn ja vielleicht in den Herbstferien besuchen. Mexiko gehöre schon lange zu ihren Traumzielen, und seltsamerweise sei es noch nie zu einer Reise dorthin gekommen. Sie hatte bloß einmal den südlichen Teil Lateinamerikas besucht, war in Bolivien, Peru und Ecuador gewesen, aber Mexiko sei eigentlich schon lange fällig, dort kämen ihre spanischen Lieblingsautoren her, Octavio Paz und Juan Rulfo, und auch das Haus von Frida Kahlo würde sie sich gern ansehen, ganz abgesehen von den Murales ihres Mannes Diego Rivera, vor allem diejenigen im Palacio Nacional müssen ja sehr beeindruckend sein.
Thomas staunte, was seine Mutter alles über Mexiko wusste.
Seine Kenntnisse waren vergleichsweise bescheiden, namentlich die kulturellen. Ihn faszinierte vor allem die Möglichkeit, eventuell den Popocatepetl zu besteigen.
»Und während deine Mutter der Kultur nachrennt, könnten wir zwei ja auf den Popocatepetl«, sagte sein Vater, als hätte er seine Gedanken erraten, »soll ja nicht schwer zu besteigen sein, das wäre dann mein erster Fünftausender, und wohl auch mein letzter.«
»Was sagt denn Anna zu der Aussicht, dass du ein halbes Jahr wegfliegst?« fragte seine Mutter.
»Tja, eehm … Sie weiß es noch gar nicht.«
Das Mail aus Mexiko sei erst heute Vormittag gekommen, und er wolle mit Anna nicht am Telefon darüber sprechen, sondern erst morgen, wenn sie sich träfen.
Julia sagte, das könne einer Freundschaft auch gut tun, sie sei schließlich auch kurz, nachdem Manuel und sie sich verliebt hätten, ein Semester nach Salamanca gefahren.
Aber er habe sich doch gestern schon zum Essen angemeldet, sagte sein Vater, und zwar mit dem Zusatz, es gebe eine Neuigkeit zu besprechen. Was denn diese Neuigkeit sei.
Das sei eine Neuigkeit, die dazu beitrage, dass er noch gar nicht wisse, ob er die Praktikumsstelle in Mexiko überhaupt annehmen wolle.
»Was denn?« fragte sein Vater, »bietet man dir eine Professur an?« Er lachte über seinen Scherz und trank einen Schluck Rioja.
»Nein«, sagte Thomas, »Anna ist schwanger.«
Manuel stellte sein Glas abrupt ab und begann zu husten. Er hatte sich verschluckt und kam in solche Schwierigkeiten, dass Julia aufstand und ihm auf den Rücken klopfte.
»Das ist allerdings eine Neuigkeit«, sagte er heiser, als er wieder richtig atmen konnte.
»Eine schöne«, sagte Julia, »doch, eine schöne Neuigkeit, ein bißchen früh für euch beide, aber ich freue mich. Ihr seid ein gutes Paar.«
Manuel hob die Serviette zum Mund und hustete nochmals, dann fragte er vorsichtig: »Aber - sie will doch das Kind nicht austragen?«
»Doch«, sagte Thomas, »das will sie.«
»Und ihre Ausbildung? Sie ist ja noch mittendrin.«
»Sie glaubt, dass das geht.«
»Hat sie dich hineingelegt?« fragte Manuel, und es klang hart.
Thomas errötete. »Nein, ich … ich hatte keine Kondome mehr, und es war das Ende ihrer Periode, also völlig unwahrscheinlich.«
Noch nie hatte er über so etwas Intimes mit seinen Eltern gesprochen, das hatten sie bisher immer vermieden.
»Das ist doch Unsinn«, sagte der Vater, »du gehst nach Mexiko, und dann kommst du gerade recht zur Geburt, oder wie?«
»Das weiß ich noch
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