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Es klopft

Es klopft

Titel: Es klopft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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ab. Sie wollte Richard, ihrem Mann, der im Sommer 64 wurde, eine Besteigung dieses Vulkans schenken, für den er sich immer interessiert hatte. Der oberste Zeltplatz lag etwa 1000 Meter unterhalb des Kraterrandes, Richard war ein guter Wanderer, und die Wege wurden als problemlos geschildert, so dass es sicher ein besonderes Erlebnis sein musste, frühmorgens aus dem Zelt aufzubrechen und diesen schicksalshaften Berg zu erklimmen. Gerade hatte sie jedoch gesehen, dass immer nur eine begrenzte Anzahl von Touristen in den Park hineingelassen wurde, man sollte sich also rechtzeitig anmelden. Richard würde morgen aus New York zurück kommen, dann wollte sie mit ihm die Details der Reise besprechen.
    Nun stand ihre Tochter im offenen Türrahmen, den sie fast ganz ausfüllte. Sie war einen halben Kopf größer als ihre Mutter und war massiv übergewichtig. Bis zu Monikas Heirat war Manuela das gewesen, was man ein herziges Mädchen nannte, groß schon damals, aber schlank, und das war sie auch in der ersten Zeit in Stockholm noch geblieben. Erst mit dem Umzug nach London, als sie 15 war, begann sie langsam
Speck anzusetzen, musste Hosen und Röcke weiter machen lassen, um dann in Washington vollends in die Statur einer Kugelstoßerin hineinzuwachsen, ohne dass sie sich allerdings für Sport interessierte. Sie brauchte nun die Kleidergeschäfte für Übergrößen, an denen hier kein Mangel war, und Monika schmerzte der Anblick ihrer Tochter. Eigentlich verstand sie das nicht. Sie hatte immer auf eine ausgeglichene Ernährung geachtet, hatte das Birchermüesli auch im Ausland hochgehalten, so gut es ging, und sobald sie bemerkt hatte, dass Manuela nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Breite wuchs, hielten Knäckebrote und Margarine Einzug auf den Frühstückstisch, doch dies hatte bloß zur Folge, dass Manuela in den Schulpausen um so gieriger Muffins, Donuts oder überladene Burgers in sich hineinfraß. Amerika war nicht unbedingt das Land, das zum Schlankwerden einlud, und Monika verabscheute den Kult der Größe, welcher hier auf Schritt und Tritt betrieben wurde. Die kleinste Portion Kaffee im »Starbucks« hiess bereits »Tall«, und bei Pizzas, Hamburgern und Sandwiches war sie meistens mit »Medium« schon überfordert, darüber gab es aber noch »Large« und »Extra Large« oder gar »Giant«. Die Vereinigten Staaten waren das Reich der vereinigten fettleibigen Riesen, und ihre Tochter war eine Bewohnerin dieses Reichs.
    Jetzt stand sie unter der Tür, kauend, mit einem angebissenen »Milky Way« in der Hand.
    »Wieso fragst du? Bist du nicht zufrieden mit deinem Namen?«
    Monika versuchte etwas Zeit zu gewinnen.
    »Doch, klar, ich möchte bloß wissen, wie du darauf gekommen bist.«

    Monika spürte ihr Herz klopfen.
    »Ach weißt du, damals hießen alle neugeborenen Mädchen Sandra, Barbara oder Daniela, und da du ja vor allem meine Tochter warst, wählte ich einen Namen, der wie der meine mit M anfängt und mit a aufhört, und natürlich gefiel er mir auch.«
    »Okay, Mom.«
    Sie steckte die zweite »Milky Way«-Hälfte in den Mund und drehte sich um.
    »Hast du noch was vor heute Abend?« fragte Monika.
    »Ich mach noch ein paar E-Mails«, sagte Manuela, »und dann will ich die Letterman-Show kucken. Kuckst du mit?«
    »Vielleicht. Wer ist denn Gast?«
    »Michael Moore.«
    »Dann schau ich auch.«
    Manuela ging die Treppe hinunter, und als von ihr nur noch der Oberkörper zu sehen war, drehte sie sich um und rief ihrer Mutter zu: »Anna aus der Schweiz hat gemailt, sie läßt dich grüßen.«
    »Danke, gleichfalls!«
    »Sie ist schwanger!«
    Diese Nachricht kam von der untersten Treppenstufe.
    Sofort stand Monika auf und ging zur Treppe. »Was hast du gesagt?«
    Manuela drehte sich zu ihr um. »Anna ist schwanger.«
    »Ah ja? Freiwillig?«
    Manuela zuckte die Achseln, verschränkte ihre Hände über dem Treppengeländer und stützte ihren Kopf darauf.
    »Warum hast du mir nie gesagt, wer mein Vater ist?«
    Monika seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass ihre Tochter
diese Frage stellte, und es war nicht das erste Mal, dass ihr die Antwort darauf schwer fiel. Sie hatte sich das, als sie sich bei diesem Arzt in Zürich ihr Kind holte, einfacher vorgestellt. Damals hatte sie nur das Baby vor Augen gehabt, das Baby, das ihr manche ihrer Freundinnen mit verklärtem Lächeln hingehalten hatten, bis ihre Sehnsucht, selbst ein Baby in den Armen zu halten, unbezwingbar wurde, ein Baby, aus dem später ein

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