Es muss nicht immer Grappa sein
Sie doch endlich«, krächzte Poldi, der blass geworden war. Wir folgten dem armen Kerl.
»Herr Sedel ist etwas cholerisch veranlagt«, meinte er, als wir wieder an der frischen Luft waren. »Künstler eben. Die darf man nicht mit denselben Maßstäben messen wie unsereins.«
»Ich fand Herrn Sedel sehr beeindruckend. Aber warum hat er die Regie angenommen, wenn ihm Soaps so zuwider sind?«
»So ein großer Regisseur ist er auch wieder nicht. Er hatte eine Flaute. Er hat wohl unterschätzt, dass wir andere Produktionsbedingungen haben als bei Fernsehfilmen. Wir drehen zeitnah zum Ausstrahlungstag, damit wir aktuelle Entwicklungen mit einbeziehen können. Und unser Budget ist begrenzt.«
»Aha. Masse statt Klasse. Wo werden denn die Szenen gedreht, die im Regenwald spielen?«
»Im Dschungelhaus des Botanischen Gartens«, erklärte Poldi. »Und wenn wir eine Totale brauchen, kaufen wir Bilder an und verpassen ihnen die gleiche Farbtemperatur. Das ist viel kostengünstiger, als ein Filmteam nach Mexiko oder Brasilien zu fliegen.«
Wir hatten die Cafeteria erreicht. Sie war in Schnellbauweise aufs Gelände gestellt worden. Das schöne Wetter hatte die Menschen nach draußen getrieben.
»Guck mal«, raunte ich Pöppelbaum zu. »Das Kleine Krokodil. «
»Wo?«
»Der Hübsche dort, der gerade an einem Milchshake nuckelt.«
»Der haut mich weniger vom Stuhl. Guck dir die mal an!« Der Bluthund deutete auf eine wenig bekleidete junge Frau, fast noch ein Mädchen, die sich in einem Liegestuhl in der Sonne aalte. Sie hatte das Oberteil vergessen und trug nur einen Tanga. Außer Pöppelbaum nahm allerdings kaum jemand von ihr Notiz.
»Frau Moreno ist wohl in ihrer Garderobe.«
Pöppelbaum riss sich von der Schönen los.
Auch das Gebäude, das die Aufenthaltsräume der Schauspieler beherbergte, war vermutlich im Schnellverfahren errichtet worden. Die Stammschauspieler hatten jeweils einen Raum für sich, der mit ihrem Namen gekennzeichnet war.
»Die Statisten benutzen eine gemeinsame große Garderobe. Natürlich mit der Möglichkeit, sich zurückzuziehen.«
Die Menschen, die uns auf dem Flur entgegenkamen, schienen besserer Stimmung zu sein als Herr Sedel. Sie grüßten freundlich. Die Atmosphäre war entspannt.
Poldi erriet meine Gedanken. »Wir begreifen uns als große Familie. Einer hilft dem anderen. Es haben sich schon viele private Freundschaften und sogar Beziehungen entwickelt.«
»Kein Wunder, bei dem Angebot«, murmelte Pöppelbaum und verfolgte eine üppige junge Dame mit seinen Blicken.
»Aus!«, zischte ich. »Du benimmst dich wie der Kater auf der Spur einer rolligen Muschi!«
»Hier ist es«, sagte Bürschi und klopfte. Kiki Moreno stand auf dem Türschild. Zunächst rührte sich nichts, dann war ein verhaltenes Stöhnen zu hören.
Der Praktikant erstarrte. »Hören Sie das?«
»Ja«, nickte ich.
»Vielleicht ist ihr nicht gut«, machte sich der junge Mann Sorgen. »Frau Moreno? Brauchen Sie Hilfe?« Er trommelte an die Tür.
Die wurde aufgerissen. Vor uns stand Wlad – und zwar in doppeltem Wortsinn. Hinter dem Koloss war Kiki Moreno zu besichtigen. Wayne war unglaublich schnell. Seine Kamera schoss eine endlose Serie von Schnappschüssen. Hastig bedeckte sich Kiki mit einem Laken.
»Hallo, Frau Moreno«, rief ich mit munterer Stimme. »Erinnern Sie sich noch an mich? Grappa vom Tageblatt. Der Abend im Potemkin. Ich wollte Sie mal bei der Arbeit beobachten. Ein nahes Porträt. Passt es jetzt gerade?«
Wlad streckte die Hand oder – besser gesagt – die Riesenpranke aus und packte mich bei der Gurgel.
»Du jetzt gähn«, knurrte er. »Und du schweigähn.«
»Ist klar«, flüsterte ich.
Wlad ließ mich los. Ich hustete. Die Tür fiel wieder ins Schloss.
»War wohl nichts«, stammelte ich und rieb mir den Hals. »So viel zum Thema große Familie.«
»Dieser Herr gehört nicht zur Crew.« Bürschi schluckte. »Er ist der Chauffeur von Frau Moreno. Mir war nicht bekannt, dass die beiden …«
»Wir sind doch alle erwachsen«, ging ich über das Geschehene hinweg. »Danke für den Einblick, den Sie uns verschafft haben. Wir müssen wieder los. Nur eine Bitte noch: Geben Sie Frau Moreno meine Visitenkarte. Aber diskret. Und sagen Sie ihr, dass sie mich anrufen soll. Dringend.«
Er versprach es. Erneut kamen wir an der Cafeteria vorbei. Das Kleine Krokodil war nicht mehr da, dafür saßen Graf und Gräfin von Liechtenstein an verschiedenen Tischen. Er las die BLÖD-Zeitung und sie
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