Es muss nicht immer Grappa sein
Fische aus dem Indischen Ozean, die Fleischabteilung bot Gänsestopfleber, Filet von glücklichen Rindern und besonders gefütterte französische Poularden.
Der Kaviar lag in der Kühlung – hinter Glas und bewacht von den Verkäuferinnen. Die Dosen hatten keinerlei Ähnlichkeit mit denen aus Oma Schöderlapps Badezimmer.
»Wir haben heute Sevruga-Kaviar im Angebot«, informierte mich die Verkäuferin. »Er ist gestern Nacht frisch eingeflogen worden.«
»Danke sehr, aber ich ziehe Beluga Malossol vor. Die blaue Fünfzig-Gramm-Dose.«
Die beiden sahen sich an. »Den führen wir aber schon längere Zeit nicht mehr. Unser Kaviar kommt hauptsächlich aus dem Iran, was an der Qualität aber nichts ändert. Wenn Sie sich informieren wollen. Bitte schön.« Sie hielt mir ein Infoblatt hin. »Da steht alles drin über Qualität, Herstellung, Fangquoten und die Ausfuhrvorschriften.«
Andere Kunden betraten den Laden. Offensichtlich kannten sie sich aus, denn sie griffen zielsicher in die Regale. Mit einem Einkauf hauten sie die Hälfte einer monatlichen Arbeitslosenunterstützung auf den Kopf.
Die Verkäuferinnen waren beschäftigt. Ich nutzte die Chance, mich zu verdrücken, ohne etwas zu kaufen.
Vor der Ladentür saß noch immer der Bettler. Ich warf ihm zwei Euro auf den Teller. Der Hund schnüffelte daran.
»Danke, Frau Grappa!«, sagte der Mann.
Ich erstarrte und schaute genau hin: Adrian Schöderlapp – verkleidet und dreißig Jahre älter wirkend.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte ich verdattert.
»Observation«, grinste er und tätschelte den Hund. »Kennen Sie die Kaffeebude auf dem Wochenmarkt? Neben dem Eingang zum Parkhaus. In zehn Minuten dort, okay?«
Ich bestellte mir eine Tasse Milchkaffee und eine mit Puderzucker bestäubte Waffel. Jetzt mischte auch noch der junge Schöderlapp mit! Mich beschlich ein ungutes Gefühl.
Der Enkel ging aufrecht und sah so jung aus, wie er war. Auch der Hund schien auf dem Weg zum Markt einige Jahre verloren zu haben.
»Was treiben Sie da vor dem Laden?«, kam ich gleich zur Sache.
»Ich beobachte Silius«, antwortete Adrian. »Ich war gestern in dem Geschäft und er kam zufällig rein. Er ist der Mann!«
»Welcher Mann?«
»Dessen Stimme ich damals gehört habe, als ich meine Großmutter besuchte. Der Typ, der die Qualität des Kaviars bemängelt hat. Ich hab die Stimme eindeutig wiedererkannt.«
»Und wie sind Sie auf den Namen Silius gekommen?«
»Ich hab im Internet nach Kaviaranbietern gesucht. Und bin einfach in das größte Geschäft gegangen. Ich werde die Polizei informieren.«
»Silius wird schon überprüft«, erklärte ich. »Es ist eine Plastiktüte mit seinem Logo in der Wohnung gefunden worden. Und zwar über dem Kopf Ihrer Oma. Sie sagen der Polizei also nichts Neues.«
Damit hatte der Enkel wohl nicht gerechnet, denn er fluchte enttäuscht.
»Dann hat er sie vielleicht getötet?«, meinte er.
»Klar. Und er nimmt dazu eine Tüte, auf der sein Name steht, um der Polizei die Arbeit zu erleichtern. Vielleicht hat er sie auch noch handsigniert?«
»Aber irgendwo müssen wir doch mal anfangen!«
Das Wort ›wir‹ gefiel mir gar nicht.
»Sie sollten sich aus dem Fall raushalten«, riet ich. »Und eine Zusammenarbeit zwischen uns gibt es nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie zu naiv sind«, antwortete ich. »Wir haben es hier mit gut organisierten Spitzbuben zu tun. Tut mir übrigens leid für Sie, dass Ihre Großmutter Ihnen doch nichts vererbt hat.«
»Mir auch. Aber es wäre ja schmutziges Geld gewesen. Blutzoll sozusagen. Ich hätte es einer Tierschutzorganisation gespendet.«
»Wie löblich!« Zuzutrauen wäre es ihm, dachte ich. Aber ich hatte eine gewisse Neigung, jungen Männern mit braunen Augen alles zu glauben.
»Wovon leben Sie eigentlich?«, fragte ich.
»Ich bin Koch.«
»In welchem Restaurant?«
»In keinem. Ich bin Mietkoch.«
»Und davon kann man leben?«
Er lachte. »Wenn man gut ist, ja!«
»Und das sind Sie?«
»Ja«, strahlte er. »Geben Sie eine große Gesellschaft und engagieren Sie mich. Dann werden Sie schon sehen. Meine Themenabende sind berühmt.«
»Hoffentlich ohne Kaviar.«
Er stimmte zu: »Mal ehrlich! Muss man dieses Zeug essen? Ist doch irgendwie prollig, sich Fischeier reinzupfeifen, nur weil sie teuer sind.«
»Ganz meine Meinung. Und jetzt noch mal mein Rat: Kümmern Sie sich nicht um den Fall.«
»Kann ich Sie denn anrufen, um zu fragen, ob sich was tut?«
»Besser es tut sich
Weitere Kostenlose Bücher