Es muss nicht immer Grappa sein
telefonierte aufgeregt.
»Dann hat Herr Sedel die Szene ja doch noch hingekriegt«, stellte ich fest. »Und sogar die Lippe ist noch dran.«
»Was werden Sie schreiben?«, wollte der Praktikant wissen.
»Nichts, was Sie in Schwierigkeiten bringt«, versprach ich. »Danke für alles, Poldi. Und viel Erfolg in Ihrem weiteren beruflichen Leben.«
»Die Fotos von eben …«, begann er.
Wayne beruhigte ihn: »Das war nur aus Reflex, die bleiben bei mir.«
Der Blick hinter Poldis dicken Brillengläsern wirkte erleichtert.
Russen schlagen keine Frauen?
»Die haben es auch nicht einfacher als wir«, sinnierte der Bluthund. Wir waren auf dem Weg zurück nach Bierstadt, hatten wieder einmal die falsche Tageszeit erwischt und rollten im Schritttempo.
»Wer hat es schon einfach?«
»Ob Gogol weiß, dass seine Schnalle den Gorilla dingst?«
»Bestimmt nicht. Typen wie Gogol teilen nicht. Schon gar nicht mit seinen Angestellten. Das ist unsere Chance.«
»Chance? Ja, klar. Die Chance, eins in die Fresse zu kriegen von dem Kerl. Spürst du seine Kralle noch an deinem Hals?«
Ich zog auf die linke Spur, um eine Phalanx von Brummis zu überholen.
»Der hätte mir nichts getan«, behauptete ich cool. »Russen schlagen nur die eigenen Frauen.«
»Wo hast du das denn her? Aus dem Benimmhandbuch der russischen Mafia?«
Jetzt stand der Verkehr ganz.
»Also: Ich sage dir voraus, dass mich Kiki Moreno bald anrufen wird. Ich muss nur abwarten. Und dann wird sie auspacken – da bin ich mir sicher.«
»Was auspacken?«
»Was sie außer dem Posieren noch mit Hein Carstens angestellt hat. Eifersucht ist ein wunderbares Motiv für einen Mord.«
»So einfach?« Der Bluthund schaute zweifelnd. »Gogol bringt Carstens um? Oder lässt ihn töten? Der Plot ist ja noch fantasieloser als Klein Krokodils Reise in den Regenwald.«
Als wir endlich in Bierstadt ankamen, hatten sich an meinem Hals fette blaue Flecken gebildet. Und es war zu spät, um zur Redaktion zurückzufahren.
»Hast du Lust, im Potemkin noch einen Absacker zu nehmen?«, fragte ich.
»Aha, du hast noch nicht genug«, stellte Wayne fest.
»Ich will den Italo-Iwan ausquetschen«, bekannte ich. »Frau Gogol ist auf dem Weg nach Bierstadt oder sogar schon eingetroffen. Das hat sich in der Kneipe sicherlich herumgesprochen.«
»Und was, wenn Wlad auftaucht?«
»Nichts. Sein Gewissen ist nicht rein – unseres aber schon.«
»Wie du meinst«, seufzte Pöppelbaum.
Aus dem Potemkin kam uns die übliche schwülstige Balalaika-Musik entgegen. Iwan bediente heute Abend im Biergarten. Wir nahmen einen Tisch, der nicht sofort einzusehen war. Ich ließ meinen Blick über die Gäste schweifen. Keine Spur von Gogol und seiner Anhängerschaft. Es war wohl noch zu früh am Abend.
Meine Augen blieben am Rücken eines Mannes hängen. Er saß allein an einem Tisch, der genauso abseits stand wie unserer.
»Das ist ein Ding«, raunte ich dem Bluthund zu. »Rat mal, wer da sitzt!«
»Woher soll ich das wissen?«
»Der neue Chef der Mordkommission. Dr. Friedemann Kleist. Der kleine Tisch rechts am Zaun.«
»Der hat die gleiche Spur wie wir, schätze ich mal.«
»Das ist ja auch keine Kunst. Gogol verkehrt hier. Und wo der verkehrt, gibt es vielleicht Informationen über dessen Geschäfte. Und da Kleist in Bierstadt noch ein unbeschriebenes Blatt ist, will er diese Chance nutzen, unerkannt einen Eindruck zu gewinnen. Aber die Leute hier sind ja nicht blöd. Dem Kleist sieht man den Bullen auf einen Kilometer an, findest du nicht?«
»Eigentlich nicht«, widersprach Wayne, Kleist betrachtend. »Er sieht eher wie ein Künstler aus oder so was. Für einen Bullen wirkt er ziemlich lässig.«
Wayne hatte recht. Kleist hatte den Anzug abgelegt und trug eine khakifarbene Baumwollhose, leichte, geflochtene Lederschuhe und ein dunkelblaues T-Shirt. Er saß vor einem Tee und las Zeitung.
»Signora!« Iwan stand vor uns. »Was kann ich bringen?«
»Wein und Wasser. Was gibt es Neues, Iwan?«
»Das wissen Sie doch besser als ich. Bisschen Unruhe. Wegen Zeitung. Gogol war bei Polizei. Und Frau Gogol ist gekommen.«
Eine Bewegung ließ mich aufblicken. Ein Mann steuerte Kleists Tisch an. Die beiden begrüßten sich. Der neue Gast kam mir irgendwie bekannt vor.
»Wer ist der Herr, der gerade gekommen ist?«
Iwan schaute nur kurz hinüber. »Signore Silius. Er beliefert Küche mit Waren. Nur beste Sachen.«
»Auch Kaviar?«
»Besonders Kaviar«, antwortete der Kellner. »Ich muss
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