Es muss nicht immer Grappa sein
aber das geht zu weit«, meinte ich. »Sie hat sich so angestrengt, groß rauszukommen, und jetzt das!«
Hinter dem Sichtschutz trat Kleist hervor. Er machte ein ernstes Gesicht und schaute durch mich hindurch.
»Weißt du was über den Wagen?«, fragte ich.
»Null. Ich hab den Funk abgehört und bin sofort hierher gedüst.«
Zwei Sanitäter trugen eine Bahre zu dem Leichenwagen. Der Körper darauf war mit einem Laken bedeckt.
»Bist du sicher, dass es Kiki Moreno ist?«, fragte ich noch einmal.
»Natürlich. Ich hab sie genau erkannt.«
»Wenn alle wissen, wer die Tote ist, geht hier die Post ab«, raunte ich. »Was hast du im Kasten?«
»Notarzt, Polizei und den Körper auf der Straße. Und natürlich Kleist und Kollegen. Und jetzt den Abtransport.«
Kleist und andere Beamte bewegten sich auf einen Streifenwagen zu. Der Hauptkommissar durfte mir nicht durch die Lappen gehen.
»Herr Kleist, warten Sie!«, rief ich und rannte zu ihm.
Er hielt inne. Sein Gesicht sah aus, als wünschte er einen großen Regenschirm herbei. Der Regen war ich.
»Das Opfer heißt Kiki Moreno«, behauptete ich laut. Die Kollegen Journalisten spitzten die Ohren.
»Ich kann dies weder dementieren noch bestätigen. Wir werden uns zu gegebener Zeit an die Medien wenden.«
»Die Tote ist Kiki Moreno!« Ich hatte an Lautstärke noch zugelegt. »Wer hat sie überfahren? War es ein Unfall oder Mord? Haben Sie einen Verdächtigen? Gibt es Zeugen? Ein Motiv?«
Kleist seufzte. »In der Bibel gibt es sieben Plagen der Endzeit. Seit heute weiß ich, dass es acht sind.«
Er ließ mich stehen und verschwand im Auto.
Pöppelbaum grinste. »Der ist ja drauf!«
»Ja, auch ich find ihn irgendwie witzig«, schmunzelte ich. »Und ich hab erreicht, was ich wollte. Nun wissen auch die lieben Kollegen, wer das Unfallopfer ist. Was glaubst du, was jetzt medientechnisch abgeht?«
»Die große Hysterie«, nickte der Bluthund. »Und Kleist hat den dritten Todesfall an der Hacke. Und keinen Plan.«
»Ach, dieser Könner wird das alles noch mit links lösen«, beruhigte ich Wayne. »Um den müssen wir uns keine Sorgen machen.«
Natürlich waren die elektronischen Medien schneller als wir. Schon eine Stunde später sendete das Radio die ersten Meldungen. Das Fernsehen brachte die Nachricht in den Magazinen, die zu unterschiedlichen Zeiten liefen. Die Deutsche Presse-Agentur veröffentlichte ein ausführliches Interview mit dem Geschäftsführer der TV-Firma, die Gute Tage – schlechte Tage produzierte. Alle gebärdeten sich, als sei Kiki Moreno die einzige Hoffnung des europäischen Films gewesen.
Auch Peter Jansen hatte von dem Vorfall Notiz genommen und rief an. »Es scheint nicht klar zu sein, ob Unfall oder Mord. Was sagst du, Grappa?«
»Die Straße ist übersichtlich und verläuft gerade«, erklärte ich. »Wer da jemanden totfährt, macht es mit Absicht.«
»Wer könnte das getan haben?«
»Kannst du keine einfachere Frage stellen? Gogol vielleicht – weil er sie loswerden wollte oder weil er rausgekriegt hat, dass sie mit Wlad vögelte. Wlad könnte auch Gründe haben – sie war ihn vielleicht leid. Ganz oben auf der Liste steht für mich allerdings Gogols Gattin. Sie hat der Maus ja schon einmal handgreiflich klargemacht, was sie von der Affäre ihres Göttergatten hält, und Kiki eine Tracht Prügel verabreicht.«
»Okay, Grappa. Du hast zwar morgen keinen Dienst, aber ich erwarte dich trotzdem im Verlag.«
»Wir könnten heute schon eine Sondermeldung rausgeben und plakatieren.«
»Nein, nein. So wichtig ist das nun auch wieder nicht. Kiki Moreno war ja nicht Angelina Jolie. Es reicht, wenn wir in der Montagsausgabe einen unaufgeregten Artikel bringen.«
Gänseleber und ein Geständnis
Die nächsten beiden Stunden verbrachte ich in der menschenleeren Redaktion. In dieser Umgebung konnte ich gut denken. Irgendwo summte ein nicht heruntergefahrener Rechner, ab und zu klingelte ein Telefon, das Faxgerät spie Blätter aus.
Endlich – da war sie, die gemeinsame Pressemitteilung der Mordkommission und der Staatsanwaltschaft. In ihr wurde bestätigt, dass Karin B. (24) möglicherweise Opfer eines Tötungsdeliktes geworden war. Ein Fahrzeug hatte sie hinterrücks erwischt. Lackspuren wurden zurzeit analysiert. Zeugen sollten sich melden.
Das war ärmer als karg. Aber es wäre doch gelacht, wenn ich daraus keine spannende Geschichte machen könnte. Kiki war immer für eine Story gut. Auch, wenn es jetzt ein Finale war.
Das Knurren
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