Es muss nicht immer Grappa sein
meines Magens erinnerte mich daran, dass ich keinerlei Lebensmittel zu Hause hatte. Die Läden hatten noch geöffnet und Superiore Feinkost lag auf meinem Weg.
Zwanzig Minuten später hatte ich den Laden erreicht. Die Schiefertafel vor dem Schaufenster offerierte unter anderem frischen Hummer zum Sonderpreis von 48 Euro pro Kilo. Fünfundzwanzig Austern gab es schon für 32 Euro. Und Foie Gras d’Oie Entier en Gelée au Sauternes im 200-Gramm-Glas für schlappe 42 Euro.
Bevor ich über die Dekadenz der Menschen in Westeuropa nachsinnen konnte, entdeckte ich im Inneren des Geschäftes den Inhaber: Peter Silius. Er sprach mit einer Verkäuferin. Ich drückte die Tür auf und stand im Laden.
»Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Verkäuferin lustlos.
»Vielleicht später. Hallo, Herr Silius. Maria Grappa vom Tageblatt. Kann ich Sie sprechen?«
»Ich gebe keine Interviews«, meinte er. Seine Körperhaltung drückte starkes Unbehagen aus. Er sprach langsam und leise. Ich grinste innerlich. Wer so unter Druck stand wie Silius, war leicht aus der Fassung zu bringen.
»Können wir irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind?«
»Hören Sie schlecht? Ich habe kein Interesse an einem Gespräch mit Ihnen! Ich habe schon genug Ärger.«
»Vielleicht kriegen Sie noch mehr, wenn Sie nicht mit mir reden«, lächelte ich.
»Was soll das denn heißen? Wollen Sie mich nötigen? Hauen Sie ab!« Seine Stimme war jetzt kraftvoller geworden, doch zum Brüllen reichte es noch nicht.
»Soll ich die Polizei rufen?«, fragte die Verkäuferin.
»Gute Idee«, lobte ich. »Die sind bestimmt auch an den Neuigkeiten interessiert, die ich auf Lager habe.«
Silius gab auf und winkte mich in sein Büro. Bevor ich mich setzte, rief ich Jansen an und sagte: »Ich bin hier bei Herrn Silius. In einer halben Stunde rufe ich wieder an.«
»Was soll das denn?«, fragte der Feinkostchef.
»Ach, das ist bei uns so üblich, dass die Redaktion weiß, wo man ist. Besser ist es.«
»Für wen halten Sie mich?«
»Für einen Mann, der seit Jahren in illegalen Kaviarhandel verstrickt ist.«
Silius schwitzte. Unter seinen Achseln war das Leinenhemd nass. »Diese Vorwürfe sind mir nicht neu.«
»Wie gut kannten Sie Frau Schöderlapp?«
»Schöderlapp?«
»Aber, Herr Silius! Das war gar nicht gut«, seufzte ich.
»Ich weiß natürlich, wen Sie meinen. Die alte Frau, die ermordet worden ist. Ihr Nachname wird in den Medien meist abgekürzt.«
»Ihre Wohnung war ein Kaviarlager. Das Lager, aus dem Sie sich bedient haben.«
»Das muss mir erst mal bewiesen werden.«
»Sie waren nie dort?«
»Ich kenne die Wohnung nicht.«
»Der Enkel von Frau Schöderlapp hat Sie aber dort gesehen«, erklärte ich. »Sie haben die Qualität der letzten Sendung bemängelt.«
»Dann soll er eine Aussage bei der Polizei machen. Was soll das alles hier?«
Er ist cool, dachte ich. Es wird Zeit, eine Schüppe draufzulegen. »Frau Schöderlapp hatte eine Freundin in Kiew. Galina. Sie war eine gute Freundin. Eine Vertraute. Die beiden haben sich viele Briefe geschrieben. In einigen davon werden Sie erwähnt, Herr Silius.«
»Was Sie nicht sagen!«
»Ja. Und wissen Sie, welche Rolle man Ihnen zugedacht hat? Die eines Geldgebers. Sie sollten Schöderlapps Altenteil in Kiew sichern. Durch die Zahlung einer schönen, fetten Summe. Und jetzt frage ich mich natürlich, ob Sie und vor allem wofür Sie gezahlt haben.«
»Sie langweilen mich, Frau Grappa.«
»Schade. Finden Sie folgende These spannender? Sie töten die alte Frau, um sie zum Schweigen zu bringen.«
Silius sah mich nicht an und sagte gar nichts. Er nahm ein Feuerzeug auf und ließ die Flamme aufflackern und verlöschen, aufflackern und verlöschen. Sein Gesicht war unbewegt. Ich dachte: Pokerface. Aber wir spielten ja nicht.
»Sie haben also gezahlt.«
»Sie müssen mich für einen Krösus halten.« Silius quälte sich ein Lächeln ab. »Glauben Sie, ich habe hundertfünfzigtausend Euro auf meinem Konto?«
»Jetzt nicht mehr.« Ich musste lachen. »Aber immerhin kennen Sie die Summe, um die es in den Briefen ging. Hunderttausend für das Haus am Fluss und fünfzigtausend als Starthilfe. Welches Ihrer Geheimnisse ist so viel wert?«
Silius schwieg. Seine Hände zitterten.
»Die Plastiktüte, mit der die Frau erstickt worden ist, trug Ihr Logo.«
»Und deshalb soll ich der Mörder sein?« Er kicherte.
Es klopfte an der Bürotür. Die Verkäuferin kündigte den Besuch zweier Herren
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