Es muss nicht immer Grappa sein
Fluchtmöglichkeiten durch. Es gab so gut wie keine. Jansen würde sich wundern, wo ich blieb, doch bis dahin war Wlad mit mir fertig.
»Was willst du?«, schrillte ich. »Lass mich in Ruhe!«
»Du hast schlächt geschrieben.« Er ließ mich los. Endlich konnte ich ihm ins Gesicht sehen.
»Schreiben ist mein Beruf, Wlad. Mein Beileid übrigens. Wegen Kiki.«
Er schaute mich an. In seinem Blick war nichts Aggressives. Der will mich gar nicht umbringen oder zusammenschlagen, dachte ich. Der will reden. Das kann er haben.
»Mal ganz mit der Ruhe, Wlad. Wie war das mit Kiki? Wie konnte das passieren?«
Er folgte mir in die Küche und wir setzten uns.
»Niemand wissän, dass ich hier bin. Läben ist dunkel ohne Frau.«
»Kiki. Ja. Wer hat sie überfahren?«
»Kalinka.«
»Gogols Frau?«
Der Gorilla nickte.
»Und woher weißt du das?«
»Gogol wollte Scheidung. Großes Streit. Kalinka wütend. Sie mir gesagt, sie Kiki sprechän. Ich soll Kalinka hinfahrän. Doch als ich Wagen holen wollte, war Wagen wäg. Kalinka allein gefahrän.«
»Du musst zur Polizei gehen, Wlad!«
»Gogol mich töten. Du mir helfän.«
Der Riesenklotz verdrückte ein paar Tränen. Ich reichte ihm ein Stück von der Küchenrolle.
»Wie kann ich dir helfen, Wlad?«
»Du Polizei sagän, Auto von Gogol prüfen. Du sagän Polizei, Kalinka Kiki gefahren hat tot.«
»Ohne deine Zeugenaussage geht es nicht«, widersprach ich. »Du bekommst bestimmt Polizeischutz.«
Von meiner letzten Behauptung war ich selbst nicht überzeugt. Wlad wohl auch nicht, denn er sagte: »Ich nicht zurück kann zu Gogol. Ich hierbleibän. Niemand denkt, dass ich hier bin.«
»Was? Du willst dich hier einnisten?«
»Bis Sache ärledigt, ja.«
»Wlad, das geht nicht. Ich bin auf Männerbesuch nicht eingerichtet.«
»Ich dir nix tun. Ich arbeitän.« Er schaute durch die Balkontür in den verdorrenden Garten. »Blumen brauchen Wassär. Ich schlafen draußen. Wetter gut. Du mir gebän Essen und Wasser zum Trinken. Wo ist Gartenwerkzeug?«
»Alles in dem Schuppen da draußen«, hörte ich mich sagen. »Ich muss jetzt übrigens weg. Fang ruhig mit dem Unkrautjäten an. Aber reiß die Küchenkräuter nicht raus.«
»Da bist du ja endlich.« Jansen war ungehalten.
»Ich hatte noch eine unheimliche Begegnung«, erwiderte ich und erzählte von meinem Überraschungsgast.
»Und jetzt wuselt der Gorilla in deinen Beeten rum?«, wunderte er sich. »Grappa, du kriegst den schlimmsten Kerl dazu, dass er zum Lämmchen mutiert. Und jetzt an den Rechner. Kleist hat übrigens noch eine Pressemitteilung geschickt. In Sachen Silius. Findest du auf deinem Schreibtisch. Und in der Küche liegt eine Tüte mit belegten Brötchen. Und Mandelhörnchen.«
Ich schnappte mir ein Käsebrot und verzog mich. Die Polizeipressestelle teilte mit, dass der Bierstädter Geschäftsmann Peter S. wegen des Verdachtes des Mordes an Ekaterina S. festgenommen worden war. Hintergrund der Tat könnte ein Erpressungsversuch der Geschädigten sein, die ihm drohte, seine Verwicklung in illegale Geschäfte öffentlich zu machen. Die Ermittlungen dauern an.
Ich wählte die Büronummer von Kleist. Er saß tatsächlich an seinem Schreibtisch.
»Konnten Sie mit den Briefen etwas anfangen?«, fragte ich.
»Sie sind jedenfalls der Beweis dafür, dass Schöderlapp wirklich nach Kiew zurückwollte.«
»Hat Silius denn nun gezahlt, oder nicht?«
»Frau Grappa. Ich will Sie jetzt nicht an die Pressestelle verweisen müssen.«
»Danke. Die ist heute ja sowieso nicht besetzt. Hat er oder hat er nicht?«
»Das wird gerade überprüft. Kontobewegungen in dieser Größenordnung hat es jedenfalls in den letzten Wochen nicht gegeben. Die Steuerfahndung war ja ausführlich mit Silius befasst.«
»Schwarzgeld? Schweizer Nummernkonten? Liechtenstein-Connection?«
»Ich weiß es nicht, Frau Grappa.«
»Wissen Sie«, plapperte ich weiter. »Wenn Silius nichts gezahlt hat, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass er ihr die Tüte über den Kopf gestülpt hat.«
»Was Sie nicht sagen! Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe zu arbeiten.«
»Nur noch einen Moment.« Ich machte eine Kunstpause. »Kiki Moreno ist von Gogols Angeberkarre totgefahren worden. Und am Steuer saß vermutlich dessen Frau.«
»Aha. Und das haben Sie sich gerade so ausgedacht?«
»Herr Kleist, bitte verstehen Sie mich. Ich schütze meine Informanten und ich darf das auch. Sie wissen das doch besser als ich, als Jurist.
Weitere Kostenlose Bücher