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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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englisch an: »Wie viele Kaninchen spielen im Garten meiner Schwiegermutter?«
    Darauf erwiderte Thomas mit brillantem Oxford-Akzent: »Zwei weiße, elf schwarze, ein geschecktes. Sie sollen bald zu Fernandel kommen. Der Friseur wartet schon auf sie.«
    »Lieben Sie Tschaikowsky?« fragte ihn die strenge Schönheit französisch. Ihre Augen funkelten, ihre Zähne glänzten im Widerschein des nahen Feuers, und sie hielt eine schwere Pistole schußbereit in der Hand.
    Gehorsam antwortete er in englisch akzentuiertem Französisch mit dem Satz, den Oberst Werthe in Paris ihm auf den Weg mitgegeben hatte: »Ich bevorzuge Chopin.« Das schien die Blonde zu beruhigen, denn sie steckte das Mordwerkzeug ein.
    Der kleine Fette fragte: »Können wir Ihre Papiere sehen?«
    Thomas zeigte den vieren seine falschen Papiere. Der große, hagere Partisan sagte mit befehlsgewohnter Stimme: »Das genügt. Willkommen, Captain Everett.«
    Sie schüttelten ihm alle markig die Hand.
    So einfach geht die Sache also, dachte Thomas. Wenn ich mir an der Londoner Börse einen einzigen Tag lang solche Kinderspiele erlaubt hätte, wäre ich abends pleite gewesen. Aber wie!
    10
    Allzu schwierig war die Sache in der Tat nicht gewesen. Die Deutsche Abwehr hatte erfahren, daß sich in dem wildromantischen Waldgebiet über dem Tal der Creuze eine neue, starke Résistance-Gruppe der Franzosen gebildet hatte, das »Maquis Crozant«, so genannt nach dem kleinen Ort Crozant südlich von Gargilesse. Das »Maquis Crozant« fieberte darauf, mit London in Verbindung zu treten und nach englischen Weisungen gegen die Deutschen zu kämpfen. Die Gruppe war deshalb so gefährlich, weil sie in einem praktisch unkontrollierbaren Gebiet voller wichtiger Eisenbahnlinien, Straßen und Elektrizitätswerke operierte. Schluchten und felsige Hügel verhinderten jede größere Gegenaktion der Deutschen, etwa mit Panzern.
    Die neue Gruppe hatte Verbindung zu »Maquis Limoges«. Dieser Verband besaß ein Funkgerät und stand in Kontakt mit London. Der Funker war allerdings ein Doppelagent, der auch für die Deutschen arbeitete. So erfuhr die Abwehr Paris vom Wunsche des »Maquis Crozant« nach einem eigenen Funkgerät.
    Der verräterische Funker, der zwar nicht London, wohl aber die Deutschen verständigt hatte, nahm nun Funksprüche auf, die angeblich aus London, in Wahrheit aber von der Deutschen Abwehr Paris kamen. Darin wurde das »Maquis Limoges« gebeten, dem »Maquis Crozant« mitzuteilen, daß ein Captain namens Robert Almond Everett am 4. April 1943, kurz nach Mitternacht, über einer Lichtung in den Wäldern von Crozant abspringen würde … »Wo ist der Fallschirm mit dem Funkgerät?« fragte Thomas Lieven, alias Captain Everett, nun. Er war besorgt um dieses Gerät. Deutsche Funktechniker hatten lange daran gearbeitet.
    »Schon geborgen«, sagte die strenge Schönheit, die niemals die Augen von Thomas nahm. »Darf ich Ihnen meine Freunde vorstellen.« Sie sprach schnell und sicher. Sie beherrschte die Männer, so wie Chantal die Ganoven ihrer Bande beherrscht hatte. Anstelle von Leidenschaft und Temperament operierte die Blonde mit intellektueller Kälte.
    Der kleine Fette erwies sich als Robert Cassier, Bürgermeister von Crozant. Der hagere, schweigsame Mann mit dem klugen Gesicht erwies sich als ehemaliger Leutnant Bellecourt. Den dritten Mann stellte die seltsame Blonde als Emile Rouff vor, Töpfer aus Gargilesse.
    Thomas dachte: Dieser blonde, kesse kleine Partisanenblaustrumpf sieht mich so böse an. Warum eigentlich? Oder soll das nicht böse sein, sondern sinnlich? Ein unheimliches Frauenzimmer! Der Töpfer, der einen Vollbart und wallendes Haupthaar trug, gab bekannt: »Ich habe vor neun Monaten geschworen, daß ich mein Haar erst schneiden lassen werde, wenn die Hitlerbrut vernichtet ist.«
    »Wir dürfen nicht zu optimistisch sein, Monsieur Rouff. So vor ein, zwei Jahren werden Sie wohl nicht zum Friseur kommen.«
    Thomas wandte sich an das junge Mädchen: »Und wer sind Sie, Mademoiselle?«
    »Yvonne Dechamps, Assistentin von Professor Débouché.«
    »Débouché?« Thomas blickte auf. »Der berühmte Physiker?«
    »Man kennt ihn auch in England, nicht wahr«, sagte die blonde Yvonne stolz.
    Und man kennt ihn auch in Deutschland, dachte Thomas. Aber das darf ich nicht sagen. Er forschte: »Ich dachte, der Professor unterrichtet an der Universität Strasbourg?«
    Auf einmal stand der hagere Bellecourt vor ihm, seine Stimme klang flach und tonlos: »Die

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