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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Marke ›Hotchkiss‹.«
    »Aber keine Munition dafür«, sagte der Bürgermeister von Crozant.
    Das klingt schon wieder besser, dachte Thomas.
    Der alte Professor sagte: »Wir werden alles nach London melden. Bitte, erklären Sie uns nun den Code und den Sender, mon capitaine.«
    Thomas begann zu erklären. Yvonne begriff das Code-System sofort. Es beruhte auf mehrfachen Buchstabenverschiebungen und dem Einsetzen von Buchstabengruppen für Einzelbuchstaben. Thomas Lieven wurde immer trauriger. Er dachte: Das habe ich alles ausgeheckt. Jetzt funktioniert es. Ich habe gehofft, daß es funktioniert. Und nun …
    Er schaltete das Gerät ein. Er sagte: »Es ist jetzt fünf Minuten vor zwei. Punkt zwei erwartet London unseren ersten Funkspruch. Auf der Frequenz siebzehnhundertdreiundsiebzig Kilohertz.« Auf diese Frequenz hatten deutsche Techniker den Sender eingestellt. Thomas sagte: »Sie melden sich immer als ›Nachtigall siebzehn‹. Sie rufen Zimmer zweihunderteinunddreißig im War Office London. Dort sitzt Colonel Buckmaster von der Special Operation Branch.« Er stand auf. »Bitte, Mademoiselle Yvonne.«
    Sie hatten eine erste Botschaft gemeinsam verschlüsselt. Nun sahen sie alle auf ihre Uhren. Die Sekundenzeiger umliefen die letzte Minute vor zwei Uhr früh. Noch fünfzehn Sekunden. Noch zehn. Noch fünf. Noch eine …
    Jetzt!
    Yvonne begann zu morsen. Dicht gedrängt umstanden sie die Männer: der dicke, komische Bürgermeister, der hagere Leutnant, der alte Professor, der Töpfer mit dem langen Haar.
    Thomas stand etwas abseits.
    So geht das also, dachte er. Und ist nicht mehr aufzuhalten. Gott schütze euch alle. Gott schütze auch mich …
    12
    »Na, alsdann«, sagte der Gefreite Schlumberger aus Wien, »da san s’ ja.« Er hatte Kopfhörer auf und saß vor einem Funkgerät. Am Nebentisch saß der Gefreite Raddatz und betrachtete mit dem Interesse des Kenners ein französisches Aktmagazin.
    Schlumberger winkte ihn herbei. »Hör auf mit de Weiba. Kumm her!«
    Seufzend wandte der Gefreite Raddatz aus Berlin-Neukölln den Blick von einer schwarzhäutigen Schönheit und setzte sich neben seinen Kollegen. Während er Kopfhörer aufsetzte, knurrte er: »Noch ’n paar so Scheißtricks, und wa ham den Endsieg in der Tasche!«
     
    Sie nahmen beide den Text auf, der durch Nacht und Nebel, über Hunderte von Kilometern, zu ihnen kam in langen und kurzen Signalen, ausgesandt von einer Frauenhand in einer alten Mühle am Ufer der Creuze …
    Der Text stimmte genau mit jenem überein, den Schlumberger vor sich liegen hatte, seit dieser neue sonderbare Sonderführer namens Thomas Lieven, dem sie beide zugeteilt waren, acht Stunden zuvor Paris verlassen hatte.
    »gr 18 34 512 etkgo nspon crags«, begann der Text. Und »gr 18 34 512 etkgo nspon crags« morste Yvonne nun auf Frequenz 1773.
    »Geht wie g’schmiert«, brummte der Wiener.
    »Sag mal, und daß die Jungs in London mithören, is det nich drin?« erkundigte sich der Gefreite aus Neukölln.
    »Bei dera Frequenz, auf die was mir dös Ding eingstellt ham, kaum«, sagte Schlumberger.
    Sie saßen in einem Mansardenzimmer des Hotels »Lutetia«, dem Quartier der militärischen Abwehr in Paris. Schlumberger schrieb die Zeichen mit. Raddatz erkundigte sich gähnend: »Karli, haste schon mal mit ’ner Negerin jetechtelt?«
    »Geh, halt doch endlich die Goschn.«
    Raddatz sagte trübe: »Wenn wir Deutschen mehr für Weiba übrig hätten, würden wa wenija Krieje machn.«
    Schlumberger schrieb mit, was er an Morsezeichen hörte.
    »Alles Kacke«, sagte Raddatz. »Det kapiert doch ’n Doofa, det wa den Kriej nich mehr gewinnen können. Warum machen se nich Schluß, die Scheißjeneräle?«
    Die Signale in Schlumbergers Hörer verstummten. Er lehnte sich zurück, dann morste er weisungsgemäß: »Wir kommen wieder.«
    Raddatz knurrte: »Ich fraje: Warum machen se nich Schluß, die Hunde?«
    »Dös geht doch net. Der Hitler stellt s’ doch alle an die Wand, Schorsch!«
    »Der Hitla, Mensch! Wenn ich det schon höre! Hitla – det sind wa alle. Weil wa ihn jewählt ham. Und Heil jeschrien. Zu doof, zu doof sind wa jewesen! Mehr denken, wenijer jlooben!«
    In dieser wenig wehrfreudigen Weise unterhielten sie sich noch eine Weile, dann begann Schlumberger chiffriert die Meldung zu morsen, die »Sonderführer Lieven« ihm hinterlassen hatte. Dechiffriert lautete sie:
    »von zimmer 231 kriegsministerium london an nachtigall 17 – wir haben sie klar empfangen – wir

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