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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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deutsche Flüche, Schreien und Stiefelgetrampel. »Herrgott im Himmel, Chantal, wir müssen hier weg!« drängte Bastian. »Jeden Augenblick können die Deutschen hier sein! Wenn sie uns sehen – mit Waffen …«
    Chantal schüttelte stumm den Kopf. »Haut ihr ab, ich bleibe hier.« Chantals Stimme klang heiser. Sie hustete. » ›Die Glatze‹ ist da drüben im Keller, das weiß ich. Er muß rauskommen, der Hund. Und ich lege ihn um. Ich habe geschworen, daß ich ihn umlege. Und wenn es das letzte ist, was ich tue!«
    Gellendes Weibergekreisch schlug an ihre Ohren. Sie sahen die Straße hinauf. Da trieben Soldaten ein Rudel Mädchen vor sich her. Die Mädchen waren zum Teil nur mit Morgenröcken oder Frisiermänteln bekleidet. Sie schlugen um sich, sie bissen, traten und kratzten, sie wehrten sich mit Händen und Füßen gegen den Abtransport.
    »Das sind die von Madame Yvonne«, sagte der »Pferdefuß«. Das Rudel Mädchen wurde an ihnen vorbeigetrieben. Undruckbare Flüche und Beschimpfungen hallten durch die Luft.
    Plötzlich schrie Bastian auf: »Da!«
    In der Hauseinfahrt gegenüber erschien Dantes Villeforte – mit drei anderen Männern. »Die Glatze« trug eine kurze Pelzjacke. Die Männer seiner Leibwache trugen dicke Pullover. Aus ihren Hosentaschen lugten die Kolben von Pistolen.
    Bastian riß seinen Revolver hoch, aber Chantal schlug den Lauf herunter. Sie schrie: »Nicht! Du triffst die Mädchen!« Noch immer balgten die Frauen sich vor der Hauseinfahrt mit den deutschen Soldaten herum.
    Danach ging alles sehr schnell.
    Dantes Villeforte eilte geduckt auf einen der Soldaten, einen Unteroffizier, zu, immer darauf achtend, daß er durch einen Deutschen oder durch ein Mädchen vor Chantal gedeckt war.
    Dem SD -Mann zeigte er einen Ausweis, der von einem gewissen Sturmbannführer Eicher, SD Paris, unterzeichnet war. Dann redete »die Glatze« schnell auf den Unteroffizier ein und deutete zum Tor, wo Chantal, Bastian und François standen.
    In diesem Augenblick riß Chantal ihre Maschinenpistole hervor, legte an – doch zögerte wiederum, weil noch immer Mädchen im Schußfeld standen.
    Dieses Zögern kostete Chantal das Leben. Mit einem hämischen Grinsen hob Villeforte, hinter einem Mädchen geduckt, seine Pistole und schoß das Magazin leer.
    Ohne einen Laut sank Chantal in sich zusammen und schlug auf der schmutzigen Erde auf. Blut, ein Strom von Blut färbte die Lederjacke rot. Sie rührte sich nicht mehr. Ihre schönen Augen waren gebrochen.
    »Los!« schrie François. »Durch den Hof! Über die Mauer!«
    Bastian wußte: Es ging jetzt um Sekunden. Er fuhr herum und feuerte auf Villeforte, sah, wie der Gangster zusammenzuckte und sich an den linken Arm griff, hörte ihn quietschen wie ein angestochenes Ferkel.
    Dann rannten Bastian und François um ihr Leben. Sie kannten jeden Stein im »Alten Viertel«, jeden Durchgang. Hinter der Mauer gab es ein Kanalgitter. Wenn man hier in die Abwässerschächte hinunterstieg, kam man außerhalb des »Alten Viertels« wieder heraus …
    8
    … wir haben den alten Kanal erreicht und uns in Sicherheit gebracht,
schrieb Bastian Fabre.
    Thomas Lieven ließ den Brief sinken, sah in die Dämmerung und den violetten Dunst, der mit der Abendstunde aufkam, und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann las er weiter:
    Ich bin in Montpellier untergetaucht. Wenn Du jemals hierherkommst, dann frage nach mir bei Mademoiselle Duval, 12 Boulevard Napoléon, das ist jetzt meine Mieze.
    Pierre, mein Gott, Pierre, unsere gute Chantal ist tot. Ich weiß doch, wie nah Ihr Euch gestanden habt. Sie hat mir gesagt, vielleicht hättet Ihr geheiratet. Du weißt, daß ich Dein Freund bin und darum so verzweifelt wie Du. Das Leben ist eine einzige merde. Werden wir uns je wiedersehn? Wann? Wo? Leb wohl, mein Alter. Mir ist zum Kotzen. Ich kann nicht weiterschreiben.
    Bastian
    Es wurde dunkel. Thomas Lieven saß auf dem Wegstein. Es war kalt. Aber Thomas spürte die Kälte nicht. Über sein Gesicht liefen Tränen. Tot. Chantal war tot. Plötzlich verbarg er den Kopf in den Händen und stöhnte laut auf. O Gott, er hatte Sehnsucht, er hatte so furchtbare Sehnsucht nach ihr, ihrer Wildheit, ihrem Lachen, ihrer Liebe. Drüben in der Kaserne schrien sie nach ihm, sie suchten ihn. Er hörte sie nicht. Er saß in der Kälte und dachte an seine verlorene Liebe und weinte.
    9
    Am 4. April 1943, kurz nach Mitternacht, überflog ein britisches Flugzeug des Typs »Blenheim« in einer Höhe von

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