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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Schüssel, stäube etwas Mehl darüber und lege das ausgerollte Blatt hinein. Man fülle es mit in Viertel geschnittenen, geschälten Äpfeln von einer sauren Sorte, drücke den Teig oben fest zusammen und binde das Tuch zu. Man koche den Pudding mit zwei Eßlöffeln Salz zwei Stunden ununterbrochen in stark kochendem Wasser. – Man serviere ihn ohne Sauce mit Streuzucker. – Man kann den Pudding wesentlich verfeinern, indem man die zerschnittenen Äpfel mit Butter, je 100 Gramm Rosinen und Korinthen, 50 Gramm feingeschnittenem Zitronat und Orangeat sowie etwas Zucker und Rum einige Minuten dünstet, bevor man sie in den Teig füllt.
    »Wenn die Herren
mich
an den Herd lassen würden …«
    »Sie können kochen? Donnerwetter!«
    »Ein wenig«, sagte Thomas bescheiden. Sodann kochte er – was blieb ihm übrig – englisch, äußerst englisch. Er wußte, daß er bei Franzosen damit einiges riskierte.
    Sein Roastbeef schmeckte jedoch allen ausgezeichnet. Nur die Gemüse, die es dazu gab, erregten die Kritik des Bürgermeisters: »Sagen Sie mal, Sie kochen das alles
nur
in Salzwasser?«
    »Ja, wir Engländer lieben es so«, antwortete Thomas, ein paar Schnurrbarthaare aus dem Mund ziehend.
    Er führte eine Doppelkonversation, denn gleichzeitig erzählte ihm Professor Débouché, daß es in Clermont-Ferrand mit der Herstellung gefälschter Dokumente hapere: »Neuerdings verlangen die Kontrollen immer Personalausweise
und
Lebensmittelstammkarten. Wie, meinen Sie, capitaine, könnten wir uns besser sichern?«
    »Woraus besteht denn die Beilage um das Roastbeef?« fragte gleichzeitig der verfressene Bürgermeister.
    »Einer nach dem andern«, antwortete Thomas Lieven. »Der Teig besteht aus Eiern, Milch und Mehl, die man versprudelt. Ohne Roastbeef nennen wir das Gericht ›Yorkshire-Pudding‹,
mit
Roastbeef ›Dripping Cake‹.«
    Dann wandte Thomas sich Professor Débouché zu. In den nächsten Sekunden wurde er zum Begründer einer Superfalschdokumentenzentrale. Er sagte: »Sie müssen Ihre Papiere
lückenlos
fälschen, Professor. Sie haben doch in
allen
Ämtern Ihre Leute, nicht wahr? Es muß alles zusammenpassen: Personalausweis, Wehrpaß, Soldbuch, der Zettel von der Volkszählung, die Lebensmittelkarte und die Steuerkarte. Alles auf
einen
falschen Namen. Und dieser falsche Name muß in allen betreffenden Ämtern eingetragen sein …«
    Selbige Anregung Thomas Lievens wurde übernommen und ausgewertet in einer Weise, daß den Deutschen bald darauf die Haar zu Berge standen! Eine Lawine sogenannter »echter falscher Papiere« überschwemmte Frankreich. Viele Menschen wurden durch sie gerettet.
    14
    Zwischen Dämmerung und Nacht am 4. April 1943 landete eine »Lysander«-Maschine der Royal Air Force auf der kleinen Lichtung, über welcher Thomas Lieven achtzehn Stunden zuvor abgesprungen war. Ein Pilot in britischer Uniform saß in der Maschine. Der Pilot stammte aus Leipzig. Er war von der Deutschen Abwehr ausgesucht worden, weil er Englisch sprach, leider mit sächsischem Akzent.
    Er sprach darum wenig und salutierte hauptsächlich, und zwar, was Thomas Lieven das Blut erstarren ließ, falsch. Zackig legte der Pilot die rechte Hand mit der Innenseite zur Wange an die Schläfe und nicht, wie Briten das taten, mit der Innenseite nach vorn.
    Niemand von Thomas Lievens neugewonnenen französischen Freunden schien das bemerkt zu haben. Es gab Umarmungen und Küsse, männliche Händedrücke und gute Wünsche.
    »Bonne chance!« schrien die Männer, als Thomas in die Maschine kletterte und dabei dem Luftwaffenpiloten zuzischte: »Sie Idiot, Sie dämlicher!«
    Dann blickte er auf. Drüben am Waldrand stand unbeweglich Yvonne. Die Hände hatte sie in die Taschen ihrer Jacke vergraben. Er winkte ihr zu. Sie reagierte nicht. Er winkte noch einmal. Sie blieb ohne Leben.
    Da wußte er, während er sich auf den Sitz fallen ließ: Diese Frau war mit ihm noch nicht fertig. Noch lange nicht!
     
    Das Unternehmen »Nachtigall 17« lief vollkommen reibungslos an – wie Thomas es erhofft hatte.
    Jeden Abend meldete sich das »Maquis Crozant« um 21 Uhr bei den Gefreiten Schlumberger und Raddatz im Hotel »Lutetia«, wartete, bis die Meldungen dechiffriert waren, und erhielt dann von »Colonel Buckmaster, Zimmer 231, Kriegsministerium London« die entsprechenden Antworten. Bei diesen Gelegenheiten waren noch zwei andere Männer anwesend: Oberst Werthe, der Thomas aus Gestapo-Haft befreite, und jener Hauptmann Brenner, der

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