Es muß nicht immer Kaviar sein
das Leben unseres Freundes schon seit langem mit so großem Interesse verfolgte.
In Hauptmann Brenner lernte Thomas den typischen Berufssoldaten kennen: nüchtern, stur, pedantisch, nicht unanständig, kein Nazi – aber eben ein »Kommißkopp«, ein Befehlsempfänger, der wie eine Maschine arbeitete, ohne Gefühle, ohne kritischen Gedanken und fast ohne Herz.
Brenner, ein kleiner Mann mit präzisem Scheitel, goldgefaßten Brillen und energischen Bewegungen, verstand denn auch von Anfang an nicht das »ganze Theater mit dieser Nachtigall siebzehn«, wie er sich ausdrückte.
Zu Anfang schickte Thomas den Leuten von »Maquis Crozant« hinhaltende Weisungen. »Nachtigall 17« indessen verlangte es nach Taten. Die Widerständler wollten losschlagen. Sie verlangten Munition für ihre Waffen!
Daraufhin brachte die deutsche Besatzung einer englischen Beutemaschine in einer warmen Mainacht über dem Waldgebiet zwischen Limoges und Clermont-Ferrand vier Fallschirme mit Munitionskisten zum Abwurf. Die Munition hatte nur einen Fehler: Sie paßte in Typ und Kaliber nicht zu den Waffen des »Maquis Crozant« …
Endloses Funkspruchwechseln war die Folge. Wieder vergingen Tage. »London« bedauerte den Irrtum. Es würde gutgemacht, sobald die richtige Munition für die Waffen, die zum Teil aus deutschem und französischem Besitz stammten, vorhanden sei.
»London« trug dem »Maquis Crozant« auf, Lebensmittelvorräte anzulegen. Es war bekannt, daß die Bevölkerung jener unzugänglichen Gegenden hungerte. Hungernde Menschen aber konnten gefährliche Amokläufer werden …
Wieder starteten Beutemaschinen mit deutschen Piloten. Diesmal warfen sie Fallschirme mit britischen Beutekonserven, britischen Beutemedikamenten, Whisky, Zigaretten und Kaffee ab. Hauptmann Brenner begriff diese Welt nicht mehr: »Wir saufen gefälschten Pernod – und diese Herren Partisanen echten Whisky! Ich rauche Gauloises – und diese Partisanen vielleicht Henry Clay! Wir päppeln die Kerle noch auf, damit sie dick und fett werden! Das ist doch Wahnsinn, meine Herren, das ist doch Wahnsinn!«
»Das ist kein Wahnsinn«, belehrte ihn Oberst Werthe. »Lieven hat recht. Es ist die einzige Möglichkeit, die Leute daran zu hindern, uns gefährlich zu werden. Wenn sie erst mal Eisenbahnlinien und E-Werke in die Luft gesprengt haben, hauen sie ab nach allen Himmelsrichtungen, und wir erwischen keinen einzigen von ihnen.«
Im Juni 1943 wurde »Nachtigall 17« so unruhig, daß Thomas seine Taktik änderte: Britische Beuteflugzeuge mit deutschen Besatzungen warfen nun über dem Partisanengebiet Munition ab, die wirklich zu den Waffen paßte.
Doch kurze Zeit darauf erhielt das »Maquis Crozant« diese Weisung:
maquis marseille zu großen sabotageakten und überfällen eingesetzt – es ist unbedingt notwendig, daß ihr eure waffen und eure munition vorübergehend den kameraden zur verfügung stellt.
Mächtiges Funkgezeter.
Aber »London« blieb hart. Dem »Maquis Crozant« wurde mit präzisen Orts- und Zeitangaben mitgeteilt, wo die Waffen zu übergeben seien.
In einer gewittrigen Nacht wechselten sie in den Wäldern neben der Landstraße, die von Belac nach Mortemart führt, dann denn auch die Besitzer. Die neuen Eigentümer, die sich sehr französisch gebärdet hatten, fuhren mit mehreren Lastwagen davon. Als sie wieder unter sich waren, unterhielten sie sich so, wie sie es gewohnt waren: im deutschen Landserjargon.
Anfang Juli erfuhr Oberst Werthe über den verräterischen Funker des »Maquis Limoges«, daß das »›Maquis Crozant‹ die Schnauze voll von London« hatte. Eine gewisse Yvonne Dechamps hetzte die Männer auf. War das überhaupt London, mit dem sie in Funkverkehr standen? Auch jener Captain Everett, unkte diese Yvonne, sei ihr nicht geheuer gewesen! Schon gar nicht der RAF -Pilot, der ihn abgeholt hatte. Der hatte nämlich wie ein »boche« salutiert.
»Verflucht«, sagte Thomas Lieven, als er das erfuhr. »Ich wußte ja, daß dies mal kommen würde. Herr Oberst, jetzt gibt es nur noch eines.«
»Nämlich?«
»Wir müssen Nachtigall 17 den Auftrag und die Möglichkeit zu einem
echten
und
ernsten
Sabotageakt bieten. Wir müssen eine Brücke,
eine
Eisenbahnlinie oder
eine
Elektrizitätszentrale opfern – um damit vielleicht
viele
Elektrizitätszentralen, Brücken und Eisenbahnlinien zu retten.«
Hauptmann Brenner, der diesem Gespräch beiwohnte, schloß die Augen und stöhnte: »Übergeschnappt! Sonderführer Lieven ist
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