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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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zu unterbrechen«, rief der Major Brenner. Er drehte sich um. Er sah den hageren Gefreiten vor dem großen Mahagonikästchen stehen, das er am Nachmittag geöffnet und danach wieder voll Abscheu geschlossen hatte.
    Der Gefreite Raddatz hatte das Kästchen gleichfalls geöffnet, jedoch durchaus nicht mehr voll Abscheu geschlossen. Mit beiden Händen holte er hervor, was in den Schubladen des Kästchens lag, schaute, staunte, guter Laune. Schließlich nahm er alle Schubladen heraus und leerte sie auf den Boden aus. Er lachte noch immer dabei. Plötzlich hörte er auf zu lachen. Und er sagte verblüfft: »Mir laust der Affe. Wat machen denn Reichskreditkassenscheine in so ’ne Umjebung?«
    Und dann war es auf einmal still im Salon, totenstill. Bis Thomas leise sagte: »Na also.« Er verneigte sich vor Madame Lilly Page. »Erlauben Sie, daß wir noch einmal zu suchen beginnen?«
    Die schöne Frau lächelte müde. »Mit Vergnügen. Ich sage Ihnen auch gerne, wo Sie suchen müssen. Überall dort, wo der Herr Major seinen Leuten verboten hat zu suchen …«
    Fünf Millionen in Reichskreditkassenscheinen der Ausgabe Rumänien förderten sie zutage: in Rosenholzkästchen, in denen sich seltsame Gegenstände aus dem erfindungsreichen Orient befanden, hinter den verbotenen Büchern der Bibliothek, unter den unaussprechlichen Sammlungen, hinter den unanständigen Bildern im Salon.
    Nun schickte Thomas die Hausfrau in ihr Zimmer und nahm sich den bleichen, verschreckten Prosper Longtemps vor. Zehn Minuten später ging er zu Madame ins Schlafzimmer.
    Sie lag im Bett. Ihre Augen brannten. Thomas setzte sich auf den Bettrand. Sie flüsterte: »Ich sage die Wahrheit … Prosper ist meine Liebe. Nur seinetwegen habe ich es hier ausgehalten, bei Erich – bei diesem Ferkel … Aber Sie glauben mir ja doch nicht.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte Thomas Lieven. »Ich habe mich mit Prosper unterhalten. Er hat mir erzählt, daß er Sie schon seit zwei Jahren kennt. Vor einem Jahr hat der SD ihn verhaftet …«
    Eine Menge ausgefressen hatte Prosper Longtemps, der Tunichtgut, der die Damen so glücklich machte. Als er vor einem Jahr vom SD verhaftet wurde, verhörte ihn ein gewisser Untersturmführer Petersen. Bei dem erschien eine gewisse Lilly Page und bat für Prosper. Petersen gefiel diese Dame. Er versprach, milde zu Prosper zu sein, wenn … Lilly Page wurde notgedrungen die Geliebte Petersens, und Petersen ließ Prosper laufen.
    Jetzt sagte Thomas: »Hören Sie zu, Madame, ich bin bereit, Prosper zu schützen. Unter einer Bedingung –«
    »Ich verstehe«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln und bewegte sich träge.
    »Ich glaube nicht, daß Sie mich verstehen«, antwortete Thomas freundlich. »Petersen war in eine Schiebung mit Reichskreditkassenscheinen verwickelt. Ich muß wissen, wie die nach Frankreich kamen. Wenn Sie uns da helfen, will ich Ihren Prosper schützen.«
    Langsam richtete Lilly sich im Bett auf. Sie ist sehr schön, dachte Thomas, dabei liebt sie einen solchen Strolch – und tut alles für ihn … Das Leben ist komisch!
    Lilly Page sagte: »Da drüben hängt ein Bild, die Leda mit dem Schwan. Nehmen Sie es von der Wand.«
    Thomas tat, was sie sagte. Hinter dem Bild erblickte er einen kleinen Wandsafe mit einem Nummernschloß.
    »Stellen Sie die Zahl 47 132 ein«, sagte die Frau auf dem Bett. Er stellte die Zahl 47 132 ein. Die Safetür öffnete sich. Ein Buch aus schwarzem Leder lag in dem Stahlfach, sonst nichts.
    »Erich Petersen war ein widerwärtig pedantischer Mensch«, sagte die Frau auf dem Bett. »Er führte über alles Buch. Über Männer, über Frauen, über Geld. Sie sehen sein Tagebuch. Lesen Sie es. Dann werden Sie alles wissen.«
     
    In dieser Nacht fand Thomas Lieven nur wenig Schlaf. Er las das Tagebuch des Untersturmführers Erich Petersen. Als der Morgen graute, wußte er Bescheid über eine der größten Schiebungen des Krieges.
    Übernächtigt erstattete er am Vormittag dem heimgekehrten Oberst Werthe Bericht: »In dieser Sache hängt einfach
alles
drin! Höchste Beamte im Reichssicherheitshauptamt Berlin. Höchste SD -Leute in Rumänien. Wahrscheinlich sogar Manfred von Killinger, der deutsche Gesandte in Bukarest. Und hier in Paris – Obersturmführer Redecker, der Schwager Heinrich Himmlers!«
    »Allmächtiger«, sagte Oberst Werthe schwach, indessen der Major Brenner auf seinem Sessel wetzte, unruhig, erwartungsvoll, gespannt.
    »Mit Redecker fing überhaupt alles an«,

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